Erbitterter Namensstreit um »Mazedonien«
Griechenland fordert von Skopje Verzicht auf die Staatsbezeichnung
Als »Freund, Verbündeten« und »wichtigsten Partner bei der Integration in euroatlantische Strukturen«, die für Mazedonien absolute außenpolitische Priorität habe, umwarb dessen neuer Außenminister Nikola Dimitrov seinen Amtskollegen Nikos Kotzias soeben in Athen. Der Grieche reagierte kühl. Unterstützung ja, aber zuvor müsse die Staatsbezeichnung geklärt werden. Um das Recht auf den Namen Mazedonien streiten Athen und Skopje seit Jahren. Schuld sind die Römer, die 148 v.Chr. Gebiete beidseitig der heutigen Grenze zwischen Griechenland und der Republik Mazedonien zur Provinz Makedonien zusammenfassten. Byzanz behielt den Namen bei, später auch das Omanische Reich.
Im Balkankrieg 1912 nahm Griechenland der Hohen Pforte den Südteil der Region ab. Den Norden, wo seit dem frühen Mittelalter südslawische Stämme siedeln, teilten sich Bulgarien und Serbien. Dort gründete Tito 1944 die Sozialistische Republik Mazedonien als Teilstaat Jugoslawiens - ein Pufferstaat im Kalten Krieg, mit dem die Hellenen sich nicht anlegen mochten. Mit dessen Spaltprodukten schon.
Die Steilvorlage lieferte Mazedonien nach der Unabhängigkeitserklärung 1991 selbst. Die Staatsflagge wurde geziert vom Stern von Vergina, dem Symbol der makedonischen Königsdynastie, die im vierten Jahrhundert v. Chr. in Griechenland herrschte. Den prominentesten Spross - Alexander den Großen, der in Asien ein griechisch geprägtes Weltreich errichtete - vereinnahmte Skopje gleich mit. Auch gab die Verfassung der Regierung den Schutz mazedonischer Minderheiten in Nachbarstaaten auf. Sie enthielt sogar einen Passus, den Athen als Option für Verschiebung der Grenzen interpretierte und zwischen 1994 und 1995 mit Wirtschaftsembargo und Schließung der Grenzen konterte.
Zwar zeigte sich Mazedonien bei Änderungen von Grundgesetz und Flagge kompromissbereit, nicht jedoch beim Namensstreit. An Griechenlands Veto scheiterten zunächst der Beitritt zur UNO und deren Unterorganisationen. Dort wird der Balkanstaat bis heute mit dem Zusatz »ehemalige jugoslawische Republik« gelistet. Auch die NATO-Mitgliedschaft wurde später blockiert.
Dies um so mehr, als 2006 die nationalkonservative WMRO-DPMN die Macht übernahm und frisches Öl ins Feuer goss. Der neue Flughafen in Skopje wurde nach Alexander dem Großen benannt. Neben seinem überlebensgroßen Reiterstandbild dräut auf dem zentralen Platz der Hauptstadt ein weiterer griechischer Halbgott vom Sockel: Justinian. Unter ihm stieg Byzanz im 6. Jahrhundert zur Supermacht auf. Geboren wurde der Isapostolos - der apostelgleiche Kaiser - allerdings als Petrus Sabbatius in Taor in Mazedonien
Der neue Außenminister dagegen distanzierte sich in Athen ausdrücklich von den monumentalen Geschmacksverirrungen der Vorgängerregierung. Ängste seien unbegründet, die Grenzen unantastbar. Das letzte Wort im Namensstreit sollten Historiker haben. Für ihn sei nicht wichtig, wer siege und wer die besseren Argumente habe, sondern Fortschritt bei den Beitrittsverhandlungen. Mazedoniens NATO-Mitgliedschaft würde die Situation auf dem gesamten Westbalkan stabilisieren. Ein Kompromiss mit Griechenland, so der ehemalige Staatssekretär für europäische Integration Pero Dimšoski, werde in maximal zwei Jahren stehen. Allen politischen Querelen zum Trotz sei Athen der mit Abstand größte Investor: Griechische Unternehmen schufen in dem strukturschwachen Land bisher über 5000 Arbeitsplätze.
Vor allem aber seien die geopolitischen Rahmenbedingungen derzeit günstig wie schon lange nicht mehr. Gemeint waren das neue Westbalkan-Konzept von Bundesaußenminister Siegmar Gabriel und das wiedererwachte Interesse Europas an der Region. EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini versprach dem neuen mazedonischen Regierungschefs Zoran Zaev beim Antrittsbesuch in Brüssel Mitte Juni tatkräftige Unterstützung bei der Wiederaufnahme von Reformen und der Überwindung der ethnischen Teilung. Bis zu 33 Prozent der Bürger Mazedoniens sind ethnische Albaner.
Andere Beobachter sind skeptisch. Athens Forderung nach Komplettverzicht auf den Namen Mazedonien würde eine Identitätskrise der Titularnation heraufbeschwören, diese den gerade abgewählten Nationalkonservativen und damit Russland in die Hände spielen. Der Kreml sei stärker als bisher auf Bodengewinn in Mazedonien fokussiert. Auch weil es dafür als Transitland einer russischen Gaspipeline nach Südosteuropa derzeit keine Alternative gibt.
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