Trumps zielstrebige Willkür

Zölle und Sanktionen – wie und warum der neue US-Präsident die regelbasierte Weltordnung umbaut

America first: Donald Trump auf Wahlkampftour im Industriegürtel des US-Bundesstaates Michigan
America first: Donald Trump auf Wahlkampftour im Industriegürtel des US-Bundesstaates Michigan

In der Wirtschaftswelt, unter Ökonomen, Bankern und Börsianerinnen gibt es derzeit nur ein Thema: Was geschieht, wenn nächste Woche Donald Trump sein Amt als US-Präsident antritt? Vielleicht passiert nicht viel, vielleicht wird es ein ausgewachsener Weltwirtschaftskrieg. Von fundamentaler »Unsicherheit« ist die Rede. Unsicher ist man sich nicht nur – wie sonst üblich – über die wirtschaftliche Konjunktur, sondern ganz grundsätzlich über die Bedingungen des globalen Geschäfts, dessen Regeln und Vorschriften. Denn Trump zielt auf den Umbau der globalen Rechtsordnung, nach der Geschäfte, Käufe und Investitionen abgewickelt werden. Damit legt er die Grundlagen der regelbasierten Weltordnung offen, ihren Widerspruch und ihren Nutzen für die USA.

Kritik an Globalisierung und Freihandel war früher eine Domäne der Linken. Inzwischen aber kommt die Unzufriedenheit von rechts. Ausgangspunkt ist dabei die Tatsache, dass alle großen Industriestaaten den Weltmarkt brauchen – andere Länder dienen ihnen als Zulieferer, Rohstoffquellen, Absatzmärkte, Investitionsstandorte. Für jeden mächtigen Kapitalstandort ist der Weltmarkt ökonomische Basis seiner Macht.

Das Leiden der Rechten am Weltmarkt

Doch diese Basis steht nicht unter souveräner Verfügung der jeweiligen Regierung. Vielmehr ist der Weltmarkt ein Set von Regeln, die die ökonomischen Konkurrenten miteinander vereinbart haben. Wer sie, wie Trump, ändern will, muss sich mit anderen Staaten ins Benehmen setzen. Das beklagen Rechte als nicht hinnehmbare Einschränkung ihrer nationalen Souveränität. In die Kritik geraten daher die Orte internationaler Kooperation, sei es die Nato, die EU oder die Welthandelsorganisation WTO, die die Einhaltung der vereinbarten Regeln des globalen Geschäfts überwacht. In ihr hat jeder Staat eine Stimme und kann daher auf Berücksichtigung seiner Interessen pochen.

Diese Form des Interessenausgleichs halten rechte Politiker wie Trump nicht aus. »America first«, fordert er und droht der Welt mit umfassenden Zöllen. Drängendstes Problem aus Trumps Sicht – und der des gesamten politischen Establishments – ist der Aufstieg Chinas zum Systemkonkurrenten der USA. Diesen Aufstieg nehmen die USA nun zum Anlass, die regelbasierte Welthandelsordnung zu revidieren. Das lässt darauf schließen, dass für sie die Sicherung der US-Dominanz der Zweck dieser Ordnung ist.

Trumps Zölle – wer profitiert und wer verliert?

Der kommende US-Präsident Donald Trump hat im Wahlkampf mehrfach angekündigt, Importgüter sofort nach Amtsantritt mit weiteren Zöllen zu belegen und ihnen so den Verkauf in den USA zu erschweren. Auf chinesische Waren sollen die Zölle 60 Prozent betragen, auf Waren aus allen anderen Regionen zehn bis 20 Prozent.

Ziele: Mit den Zöllen verfolgt Trump laut eigenen Aussagen verschiedene Ziele. Erstens soll die US-Industrie vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden. Zweitens soll eine Abschottung des US-Marktes Unternehmen weltweit dazu bringen, ihre Produktionsstätten in die Vereinigten Staaten zu verlegen, um so den Zoll zu umgehen und gleichzeitig den Standort USA zu stärken. Drittens sollen die Zölle den wirtschaftlichen Aufstieg des geopolitischen Konkurrenten China bremsen. Vierter Punkt sind politische Ziele: So soll beispielsweise Mexiko zu einer strikteren Migrationskontrolle gebracht und Dänemark vielleicht zum Verkauf von Grönland an die USA motiviert werden. Fünftens schließlich sollen die Zölle dem US-Staat Einnahmen bescheren, um Trumps geplante Steuersenkungen gegenzufinanzieren.

Überfluss: Wenn Standorte Importzölle einführen, dann beschränken sie damit den Zugang ausländischer Konkurrenten zu ihrem Markt. Ausländische Ware soll Nachteile erhalten, inländische Ware dagegen bevorzugt werden. Es geht also um den Kampf eines gigantischen globalen Warenangebots um eine beschränkte zahlungsfähige Nachfrage der Käufer*innen. Grundproblem, mit dem die Welthandelspolitiker*innen konfrontiert sind, ist also kein Mangel an Gütern, sondern ein riesiger Überfluss. Dieser Überfluss führt derzeit in einen Weltwirtschaftskrieg um Absatzmärkte.

Folgen Ausland: Leidtragende der Trumpschen Pläne sind zunächst die Unternehmen außerhalb der USA. Denn die Zölle erhöhen ihre Kosten, wenn sie Waren in den USA verkaufen wollen. Wahrscheinliche Folge ist eine Preiserhöhung, also ein Wettbewerbsnachteil. Das Ifo-Institut schätzt, dass durch Trumps Zölle die deutschen Exporte in die USA um knapp 15 Prozent sinken könnten. Besonders getroffen wären die deutschen Auto-Exporte in die USA mit minus 32 Prozent und die Pharma-Exporte dorthin mit minus 35 Prozent. Chinas Exportverluste dürften noch deutlich höher ausfallen.

Folgen Inland: Zölle machen ausländische Ware in den USA teurer. Davon profitieren die US-Unternehmen, denn die Zölle machen ihre Güter gegenüber Auslandsware wettbewerbsfähiger. Für US-Konsument*innen wiederum werden ausländische Güter teurer, sie müssen also mehr bezahlen. Oder sie weichen auf inländische Güter aus, die allerdings teurer sind als die Importware vor der Zollerhebung. So oder so steigt durch die Zölle die Inflationsrate in den USA, das Leben der Menschen wird kostspieliger.

Verteilung: Laut Peterson Institute for International Economics (PIIE) werden Trumps Zölle einen durchschnittlichen US-Haushalt rund 2600 Dollar im Jahr kosten. Besonders betroffen seien davon die ärmeren Haushalte, die beispielsweise zu viel zu billigen chinesischen Konsumgütern greifen und die relativ viel ihres Haushaltsbudgets für den Konsum ausgeben. Profiteure sind dagegen die reichen Haushalte. Denn bei ihnen macht der Konsum einen kleineren Teil der Gesamtausgaben aus. Zweitens und wichtiger: Sie sind die Begünstigten der von Trump versprochenen Steuersenkungen, die mit den Zöllen finanziert werden sollen. kau

Um ihre Vormachtstellung neu zu sichern, muss die US-Regierung gegen eine internationale Rechtslage angehen, die sie einst mitverhandelt und der sie sich unterworfen hat. Denn die WTO-Regeln erlauben nur sehr begrenzt und nur unter sehr bestimmten Umständen die Erhebung von Zöllen. »Das WTO-Recht lässt es nicht zu, außerhalb des vereinbarten Rechtsrahmens unilaterale Maßnahmen zum Schutz eigener Wirtschaftsinteressen zu ergreifen«, schreibt Christian Tietje, Professor für internationales Wirtschaftsrecht an der Uni Halle auf dem Portal »Verfassungsblog«. Dies gelte auch für sogenannte Gegenmaßnahmen anderer Staaten.

Weder Willkür noch Wild-West

Trumps Pläne beim Vorgehen gegen die geltenden Regeln sind allerdings nicht durch Willkür gekennzeichnet, die Rechtsförmigkeit wird mit viel juristischem Aufwand eingehalten. Nicht die Regellosigkeit setzt Trump gegen das geltende Recht, das ihm nicht passt, sondern den Vorrang des nationalen US-Rechts. Verschiedene US-Gesetze erlauben dem Präsidenten das Ergreifen handelspolitischer Maßnahmen. Zum Beispiel der International Emergency Power Act von 1977, der handelsbeschränkende Maßnahmen bei Bedrohung der nationalen Sicherheit oder Wirtschaft der USA ermöglicht. Als Ermächtigungsgrundlage geprüft wird derzeit auch der – lange in Vergessenheit geratene – Section 338 Tariff Act von 1930.

Ein weiterer juristischer Hebel ist der Section 301 Trade Act von 1974, mit dem unfaire Handelspraktiken dritter Staaten bestraft werden können. Dieses Instrument hatte Trump in seiner ersten Amtszeit bereits ausgiebig zur Begründung für Zölle benutzt. Die WTO stufte sie im Nachhinein zwar als rechtswidrig ein. Allerdings ist die WTO inzwischen weitgehend machtlos: Die US-Regierung unter Trump blockierte 2019 die Ernennung von Mitgliedern für das oberste Streitschlichtungsgremium der WTO. Seitdem kann sie keine einklagbaren Beschlüsse mehr fällen. »Die Vereinigten Staaten operieren damit teilweise außerhalb des WTO-Systems und damit außerhalb des formalen globalen Handelssystems«, erklärt Alan Wolff vom Peterson Institute for International Economics (PIIE) in Washington. Und mit den von Trump nun angekündigten neuen Zöllen stellt sich laut Jurist Tietje »sehr grundsätzlich die Frage, welche Funktion dem Recht in der politischen Ausgestaltung der Welthandelsordnung überhaupt noch zukommt«.

»Eine Welt, in der der Handel wächst und die Wirtschaft relativ offen ist, ist in Amerikas nationalem Sicherheitsinteresse.«

Alan Wolff  
Peterson Institute for International Economics

Die neue US-Regierung scheint von der Funktion des Rechts eine klare Vorstellung zu haben. Sie zielt nicht auf eine Willkürherrschaft in einem »Wild-West-System« (Allianz Risikobericht 2025). Schließlich braucht das kapitalistische Weltgeschäft eindeutige Regeln, die für Investoren, Käufer und Verkäufer Berechenbarkeit schaffen. Denn nur verbindliche Vorschriften geben dem Gegeneinander der globalen Konkurrenz eine einigermaßen haltbare Verlaufsform. Die aktuell beklagte »Unsicherheit« ist Gift für das Geschäft. »Die Alternative zur WTO«, warnt Wolff, »wäre, dass es keine Verständigung darüber gibt, was als normal oder akzeptabel gilt«.

Der Welthandel braucht also verbindliche Regeln – und die USA brauchen den Welthandel. Denn das globale Handelssystem ist integraler Teil der US-dominierten Weltordnung – quasi die »Ergänzung zu Amerikas politischen und militärischen Allianzen«, erklärt Wolff. Diese Weltordnung hätten die USA als Bollwerk gegen die Bedrohung durch autoritäre Staaten geschaffen. »Eine Welt, in der der Handel wächst und die Wirtschaften relativ offen sind, ist daher in Amerikas nationalem Sicherheitsinteresse.«

Was die »regelbasierte Weltordnung« ist

Bei der Schaffung einer Weltordnung, die die Dominanz der USA festigt, kann sich Trump also nicht auf puren Zwang verlassen. Er braucht die Kooperation der Konkurrenten und muss daher zumindest den Anschein wahren, die regelbasierte Weltordnung sei eine Vereinbarung zwischen formell gleichberechtigten Partnern. Gleichzeitig sollen diese Partner eingespannt werden für die US-Interessen – die Bedienung dieser Interessen soll quasi der Weltordnung eingeschrieben werden.

Wie viele rechte Politiker schätzt Trump also die Bindungswirkung des Rechts. Gleichzeitig will er die nationalen Interessen der USA durch das Recht nicht beschränkt sehen. Das läuft konträr zu den Vorstellungen der Partnerländer, die eine Rechtsordnung akzeptieren würden, die ihre Interessen bedient und auch die USA bindet. In diesem Widerspruch verläuft der Kampf um die Beherrschung des Weltmarkts als Kampf um die Regeln, die auf diesem Markt gelten. Und in diesem Kampf haben die USA den längeren Hebel. Denn nur ihre überlegene Macht, ihr Geld und ihr Militär können den Weltmarkt zusammenhalten, den alle anderen brauchen. Auch die Freiheit des Welthandels beruht auf Gewalt.

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