Setzt Moskau auf die türkische Karte?

Der militärische Machtpoker im Kampf gegen den IS macht die Kurden zu einer schwierigen Größe

  • Jan Keetman
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Sprengung der Zentralmoschee im irakischen Mossul ist ein Zeichen, dass der Islamische Staat (IS) den Kampf um die größte von ihm kontrollierte Stadt aufgegeben hat. Nicht besser sieht es in Syrien aus. Von der »Hauptstadt« des IS, Rakka, blieb nur noch ein knapp fünf Kilometer breiter und etwa zehn Kilometer langer Streifen, der von den hauptsächlich kurdischen Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) hart bedrängt wird. Langsam aber absehbar verschwindet der IS von der Landkarte.

Doch das Verschwinden des IS, so erfreulich es sein mag, wird die Probleme der Region nicht lösen. Bisher trennte der IS sowohl die nach voller Unabhängigkeit lechzenden Kurden in Irak von der schiitischen Regierung in Bagdad als auch die syrischen Kurden von Assad und seinen Verbündeten. Der Puffer wird verschwinden.

Die meisten ausländischen Mächte, die in Syrien interveniert haben, Russland, USA, Türkei und andere, haben dies getan, um den IS zu bekämpfen. In Moskau hat man das offenbar rasch vergessen und auch Ankara erinnert sich nicht mehr daran. Obwohl die Operationen im März offiziell für beendet erklärt wurden, hat die Türkei eine Enklave in Syrien besetzt und erst diese Woche erhebliche Verstärkungen entsandt. Präsident Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin spricht mittlerweile von der Errichtung einer Deeskalationszone in Syrien. Eine solche könnte mit Hilfe türkischer und russischer Truppen auch in Idlib errichtet werden. Die Region um Idlib ist das bei Weitem größte Territorium, welches noch von Rebellen in Syrien gehalten wird. Die Beteiligung der Türkei könnte die Bewohner beruhigen, doch sie könnten sich auch wegen der Zusammenarbeit mit Russland verraten fühlen. Auch dürfte es Moskau selbst schwerfallen, Präsident Assad das Misstrauen ob einer türkischen Beteiligung zu nehmen.

Das größte Fragezeichen betrifft jedoch die Politik der USA. Während sowohl Moskau als auch Ankara, nachdem sie einmal in Syrien präsent waren, durchblicken ließen, dass es ihnen nicht nur um den IS geht, hat sich Washington ganz auf den IS eingeschossen. Eine Änderung der Ziele, insbesondere wenn sie eine Fortsetzung bzw. Ausweitung des amerikanischen Engagements bedeuten würden, dürfte zu Hause schwer zu vermitteln sein.

Tatsächlich hat Präsident Trump die US-Hilfe für die Kurden erheblich ausgeweitet. Als am 25. April türkische Flugzeuge kurdische Stellungen beiderseits der syrisch-irakischen Grenze bombardierten und an einer Stelle der Grenzwall aufgerissen wurde, patrouillierten demonstrativ US-Fahrzeuge entlang der Grenze. Damals taten das die Russen im westlichen Bereich der Grenze ebenfalls.

Der nächste Test erfolgte vor wenigen Tagen. Assads Truppen griffen zwischen Tabqa und Rakka kurdische Stellungen westlich des Euphrat an. Als ein syrisches Erdkampfflugzeug in die Kämpfe eingriff, wurde es von den USA abgeschossen. Nun stellte sich Moskau erstmals gegen die Kurden und drohte, alle alliierten Flugzeuge und Drohnen westlich des Euphrat zu bekämpfen.

Der Abschuss wurde von Kurden enthusiastisch gefeiert. Erinnerungen an Irak kamen auf, wo die Flugverbotszone von 1991 den Weg zur Autonomie ebnete. Die Implikationen sehen aber diesmal anders aus. Wegen der wachsenden Unterstützung der Kurden durch die USA und der Blockade seines Verbünden Katar ist Erdogan mehr an die Seite Russlands und Irans gerückt. Präsident Putin könnte nun mehr auf die türkische als auf die kurdische Karte setzen.

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