Vermögensteuer: SPD gründet erstmal eine Kommission
Parteispitze will im Streit um höhere Abgaben für Reiche auf zwei Urteile warten und dann Machbarkeit prüfen / Linkspartei drängt
Berlin. Die SPD-Spitze will das parteiinterne Ringen um die Vermögensteuer aus dem Wahlkampf heraushalten - und gründet nun erst einmal eine Kommission. Auf Initiative des Vizevorsitzenden und Steuerexperten Thorsten Schäfer-Gümbel entschied der SPD-Vorstand in Dortmund einstimmig, dass eine »Kommission zur Vermögensbesteuerung« eingerichtet werden soll, die an dem Projekt weiter arbeiten soll. Dieser Vorschlag ist nun Teil des Leitantrags der Parteiführung für das Wahlprogramm, das am Sonntag vom Parteitag beschlossen werden soll.
Die Abgabe ist seit Jahren Teil des SPD-Grundsatzprogramms - und liegt dort aber wie eine Karteileiche. Aus praktischen und rechtlichen Gründen wollen die Sozialdemokraten bei einem Wahlsieg aber den Weg über die Erbschaftsteuer gehen, um mehr Geld von vermögenden Firmenerben zu kassieren. Eine Sonderabgabe für Superreiche lehnt sie derzeit mit verschiedenen Begründungen ab. Das Bundesverfassungsgericht hat hohe Hürden aufgestellt. Seit 1997 wird die Vermögensteuer deswegen nicht mehr erhoben.
Nun will die SPD ein weiteres Urteil aus Karlsruhe zur Grundsteuer sowie eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abwarten. »Vor diesem Hintergrund werden wir nach Vorlage der beiden Entscheidungen die Machbarkeit zur Wiedererhebung der Vermögensteuer prüfen«, heißt es im Vorstandsbeschluss. SPD-Chef Martin Schulz hatte sich auch stets dagegengestellt. »Wir werden sicher über die Vermögensteuer weiter diskutieren, aber es steht jetzt nichts an.« Jusos und Parteilinke hatten gefordert, die Vermögensteuer ins Wahlprogramm aufzunehmen.
Druck macht auch die Linkspartei, die bei dem Thema versucht, die SPD vor sich herzutreiben. Die Vorsitzende Katja Kipping forderte die Sozialdemokraten auf, eine deutliche Abgabe für Reiche zu beschließen. »Ich erwarte von der Sozialdemokratie eine spürbare Vermögensteuer und keine Bierdeckelrechnung, die niemandem wehtut und niemandem wirklich etwas bringt«, sagte sie der »Rheinischen Post«. Kipping forderte die SPD auf, sich »diesen Ruck zu geben« und stellte dafür eine Koalition nach der Bundestagswahl in Aussicht. »Dann könnte Martin Schulz am Ende doch noch mit einer Mitte-Links Mehrheit Kanzler werden«, so die Linkenchefin.
Als »mutlos« hatte auch Linksfraktionschef Dietmar Bartsch das Steuerkonzept der SPD genannt. »Bei kleineren und mittleren Einkommen zu entlasten ist richtig. Ich finde aber, dass das zu wenig passiert«. Es fehle »der Mut, eine Vermögensteuer einzuführen, es fehlt der Mut konkret zu sagen, was will die SPD bei der Erbschaftssteuer«, so Bartsch. »Wenn man entlasten will, muss man auch sagen, wo man etwas abholen will, und da reicht die sanfte Erhöhung des Spitzensteuersatzes nicht aus.«
Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht erklärte, im Entwurf der SPD für das Wahlprogramm sei leider »neben vielen anderen Lücken und Hasenfüßigkeiten« die Forderung nach Wiedereinführung einer Vermögensteuer nicht dabei. Wagenknecht sagte, dies könne in Form einer Millionärsteuer geschehen. »Auch unter SPD-Delegierten gibt es daran sehr berechtigt Kritik«, so Wagenknecht. »Denn wie will Martin Schulz mehr soziale Gerechtigkeit erreichen, wenn er sich nicht traut, sich mit den Superreichen anzulegen?«
In Umfragen wirkt sich die Kritik der Linkspartei an der SPD in dieser Frage nicht aus. Neuesten zahlen zufolge stehen die Sozialdemokraten bei 24 Prozent, die Linkspartei würde 9 Prozent erreichen. Weit vorn liegt die Union mit 39 Prozent. Laut einer anderen Umfrage kommen die SPD-Steuerpläne - ohne Vermögensteuer - bei der Bevölkerung gut an. Wie das Meinungsforschungsinstitut YouGov mitteilte, halten rund zwei Drittel der Bürger die in dieser Woche vorgestellten Maßnahmen für grundsätzlich sinnvoll.
Die SPD will den Soli-Steuerzuschlag ab 2020 zunächst für untere und mittlere Einkommen abschaffen, später dann für alle. Die Mittelschicht soll weniger Steuern zahlen, Spitzenverdiener sollen stärker belastet, zudem größere Erbschaften höher besteuert werden. 59 Prozent meinten, dass diese Steuerpläne die soziale Gerechtigkeit verbessern werden. 52 Prozent der Befragten sehen sogar eine fundamentale Verbesserung des bestehenden Steuersystems. Und bei fast einem Drittel der Befragten tragen die Reformpläne angeblich dazu bei, dass sie bei der Bundestagswahl der SPD ihre Stimme geben würden. »Die Partei erreicht mit ihren Plänen auch Wählergruppen außerhalb ihrer Kernwählerschaft«, sagte der Forschungsleiter von YouGov Deutschland, Holger Geißler. Agenturen/nd
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