»Italien ist keine Laufkundschaft«

Deutsche U21-Fußballauswahl steht im Halbfinale und zieht Lehren aus der ersten EM-Pleite

  • Miriam Schmidt, Krakow
  • Lesedauer: 3 Min.

Das »blaue Auge« für seine junge Elf brachte Stefan Kuntz nicht aus der Ruhe. Der deutsche U21-Fußballnationaltrainer ordnete die verdiente 0:1-Niederlage im letzten EM-Gruppenspiel gegen Italien in Krakow und den herbeigezitterten Halbfinaleinzug als positives Erlebnis ein. »Diese Erfahrung mit diesem Ausgang ist unbezahlbar für die Jungs«, sagte der 54-Jährige. »Die Spieler müssen sich hier auch im mentalen Bereich beweisen. Das haben wir mit einem kleinen blauen Auge geschafft.« Aber auch Kuntz ist klar: Gegen England im Halbfinale am Dienstag muss sich das Team deutlich steigern.

Gegen die taktisch starken Italiener zeigten die Deutschen ihrer bislang schwächste Leistung in Polen. Nur dank der beiden vorherigen Siege gegen Tschechien (2:0) und Dänemark (3:0) reichte es für die DFB-Junioren zum Sprung in die K.o.-Runde. »Das war nicht das, was wir spielen wollten«, gab DFB-Sportdirektor Horst Hrubesch nach der Zitterpartie zu. »Wir haben einen anderen Anspruch.« Am Ende profitierte die DFB-Elf auch davon, dass Italien wegen der Niederlage der Tschechen gegen Dänemark ein 1:0-Sieg zum Weiterkommen reichte.

Bei den Spielern überwog direkt nach dem Schlusspfiff die Enttäuschung. »Wir haben verloren. Das ist natürlich das, was ein bisschen auf das Gemüt schlägt«, sagte Abwehrchef Niklas Stark, dessen ungenaues Zuspiel für Mahmoud Dahoud die Italiener zur Führung durch Federico Bernardeschi nutzen konnten (31. Minute). »Das ist natürlich ein Schock für so eine junge Mannschaft, wenn du dann weißt, wenn du noch einen kriegst, bist du auf einmal raus«, sagte Max Meyer zum teilweise gehemmt wirkenden Spiel der DFB-Auswahl. Kapitän Maximilian Arnold urteilte: »Das war der erste Gradmesser, Italien ist keine Laufkundschaft.« Die Spieler versuchten, das 0:1 gegen den ersten Top-Gegner im Turnier als wichtige Erfahrung und Dämpfer zur rechten Zeit zu sehen. Eine weitere Erkenntnis in der Niederlage: Weil Deutschland nur als bester Gruppenzweiter weitergekommen ist, geht das Team zunächst Topfavorit Spanien aus dem Weg und trifft auf England. Gegen die Young Lions gewann die Kuntz-Elf im März ein Testspiel mit 1:0. Meyer warnte dennoch: »England ist auch ein ganz harter Brocken. Da sind sehr viele gute Spieler dabei.«

Erst nach und nach machte sich im Team die Freude über den Sprung ins Halbfinale breit. »Das macht mir jetzt keiner schlecht: Das war ein Riesenerfolg für die Truppe«, lobte Kuntz. Stark ergänzte: »Wir gehören zu den besten Vier, wir schauen jetzt nach vorne.« Denn bei aller Freude über den Halbfinaleinzug wissen auch Kuntz und Co.: Gegen England muss die Mannschaft eine ganz andere Leistung zeigen, um ihren Traum vom ersten EM-Titel seit dem der Goldenen Generation 2009 verwirklichen zu können. »Ich bin überzeugt, dass sie gegen England ein anderes Gesicht zeigen«, sagte Hrubesch. »Da wirst du dir das so, wie wir heute gespielt haben, nicht erlauben können.«

Währenddessen übte der slowakische Trainer Pavel Hapal scharfe Kritik am 0:1 zwischen Deutschland und Italien. »Das, was die Deutschen und Italiener vorgeführt haben, war eine große Schande«, sagte der frühere Leverkusener Bundesligaprofi. »Ich bin unglaublich enttäuscht, wie alle.« Die Slowakei schied aus, weil sie als Gruppenzweiter das um ein Tor schlechtere Torverhältnis hatte.

»Falls die Engländer und Spanier ins Finale kommen, schaue ich mir das gerne an. Ansonsten werde ich mir diese Art von Fußball nicht mehr anschauen«, schimpfte Hapal. Die Gruppenersten und nur der beste von drei Zweiten kamen ins Halbfinale - in dem Fall Deutschland. »Es ist traurig, dass diejenigen weitergekommen sind, die kühl kalkuliert haben.«

DFB-Sportdirektor Horst Hrubesch wies Vorwürfe zurück, Deutschland und Italien hätten in der Schlussphase eine Art Nichtangriffspakt geschlossen. »Die Italiener konnten was verlieren, wir konnten was verlieren, und so kommt dann halt zum Schluss, dass man doch einfach den Ball nur hin- und her spielt«, sagte er. dpa/nd

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