Bankenrettung: »Tor zur Hölle«

Mit den Staatshilfen für italienische Banken kommt die Rettung durch den Staat zurück

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Es galt als die wichtigste Lehre aus der Finanzkrise: Nie wieder sollte der Staat Banken retten, und nie mehr sollte der Steuerzahler für Pleitebanken die Zeche zahlen. Stattdessen sollen Aktionäre und die Käufer von riskanten Wertpapieren haften, wenn ihre Bank in Schieflage gerät. So wollte man zukünftig verhindern, dass Vorstände von Geldinstituten zu große Risiken eingehen und Investoren darauf spekulieren, dass sie notfalls durch staatliche Rettungspakete geschützt werden.

Um eine erneute Banken-, Euro- und Staatsschuldenkrise zu verhindert, beschloss die Europäische Union daher als Kern der Bankenunion den Abwicklungsmechanismus. Die entsprechende EU-Richtlinie trat im Januar 2016 in Kraft. Seither müssen Eigentümer von Bankanleihen und Inhaber von Konten mit mehr als 100 000 Euro für Verluste geradestehen.

Diese »Bail-in«-Regelung sollte ein höheres Risikobewusstsein bei Investoren erzeugen. »Solange die Eigner und Gläubiger einer Bank davon ausgehen konnten, dass sie im Fall einer Abwicklung aus öffentlichen Mitteln entschädigt würden, trug dies zu einer übermäßigen Risikoorientierung bei«, erklärt das Jacques Delors Institut in Berlin. Der sozial orientierte Namensgeber des Instituts war 1985 bis 1995 Präsident der EU-Kommission. Erst kürzlich hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Abwicklung der spanischen Banco Popular ohne Steuergelder als Beispiel gelobt, dass die EU-Regeln funktionieren.

Doch nun verstößt Italien gegen die Bankenabwicklungsrichtlinie, jedenfalls nach Auffassung von Kritikern. Der Beschluss der Übergangsregierung von Paolo Gentiloni, 17 Milliarden Euro für die Kosten des Zusammenbruchs zweier Regionalbanken im Veneto bereitzustellen, stößt auf Kritik auch in der EU. Die gesunden Teile der beiden Finanzinstitute übernimmt die zweitgrößte italienische Bank Intesa Sanpaolo zum symbolischen Preis von einem Euro. Analysten in Rom werden zitiert mit der Einschätzung, damit werde »das Tor zur Hölle« geöffnet. Zukünftig würden alle Bankbosse wieder darauf spekulieren, bei einer Krise vom Staat gerettet zu werden. Das werde auf Dauer das italienische, wenn nicht sogar das europäische Banksystem zerrütten.

Die Italiener müssten wieder einmal die Misswirtschaft einiger Bankmanager bezahlen, schimpfte der Präsident der italienischen Verbraucherschutzorganisation Codacons, Carlo Rienzi. »Es ist eine Schande, dass der Steuerzahler 17 Milliarden Euro aufbringen soll, um marode Banken zu retten. Das sind 708 Euro pro Familie, die der Staat besser für andere Zwecke investieren sollte«, so Rienzi.

Erst Anfang des Monats billigte die EU-Kommission eine umstrittene milliardenschwere Kapitalspritze Italiens für die Krisenbank Monte dei Paschi di Siena. Für die drittgrößte Bank des Landes hat die Regierung ein 20 Milliarden Euro schweres Rettungsprogramm aufgelegt.

Auch im Europaparlament, das maßgeblich an der Bankenabwicklungsrichtlinie mitgewirkt hatte, wird Kritik an der jetzigen Finanzspritze für die beiden Pleitebanken laut. Der Grünen-Parlamentarier Sven Giegold spricht von einer »empörenden Umgehung der Bankenunion«. Der Wirtschaftswissenschaftler und Finanzmarktexperte hält die neuen Bankensubventionen für einen »gefährlichen Dammbruch«.

Die EU-Kommission genehmigte dennoch die Staatshilfen für die Liquidation der beiden Geldhäuser. Die für die Abwicklung von Krisenbanken zuständige Behörde der europäischen Bankenunion, der Einheitliche Abwicklungsausschuss, entschied, »eine Abwicklung sei im öffentlichen Interesse nicht gerechtfertigt«. Die immerhin mittelgroßen Banken seien zu klein.

Dieses Schlupfloch erlaubt es nach Auffassung der EU-Kommission, die Abwicklungsrichtlinie zu umgehen. Europäisches Recht sieht unter diesen Umständen vor, dass nationale Insolvenzvorschriften gelten. »Italien hält die staatlichen Beihilfen für notwendig, um in der Region Venetien eine Störung des Wirtschaftslebens zu verhindern«, so Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.

Allerdings war dieses Schlupfloch nur als Übergangsregelung gedacht. Der Bremer Finanzmarktexperte Rudolf Hickel sieht einen Verstoß der Kommission gegen den Geist der EU-Richtlinie: »Das geht nicht.« Damit sei die Bankenunion »tot«, mit der große Gläubiger statt kleine Steuerzahler zur Rechenschaft gezogen werden sollten. Pessimisten in der Linken hätten ein solches Debakel allerdings vorhergesagt und behielten nun leider Recht.

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