Nicola Sturgeon kriecht zu Kreuze

Schottlands Erste Ministerin verschiebt zweite Unabhängigkeitsabstimmung

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 13. März hatte Schottlands Erste Ministerin Nicola Sturgeon ihre Regierung auf eine zweite Unabhängigkeitsabstimmung festgelegt, am Dienstag befahl sie im Edinburgher Parlament: Das Ganze halt! Nicht wie beabsichtigt im Herbst 2018, sondern erst nach Abschluss der Brexit-Verhandlungen 2019 soll über den Verbleib Schottlands in Britannien nochmals abgestimmt werden. Andererseits: Der Wunsch zur Teilung bleibt bei der Nationalisten-Chefin weiterhin bestehen.

Drei Jahre lang hat Schottlands Erste Ministerin Nicola Sturgeon die Politik ihrer Heimat beherrscht, die Regierenden in London, die sie mit verächtlicher Betonung als »unionist establishment« abtat, das Fürchten gelehrt. 2015 wurden die Nationalisten der SNP gar mit 56 von 59 Sitzen drittstärkste Unterhausfraktion, ihre Landsleute folgten letztes Jahr mit 62 Prozent Sturgeons Rat, für den EU-Verbleib zu stimmen. Der Zauberin aus Ayrshire schien alles möglich: Unabhängigkeit, EU-Mitgliedschaft, Wasser in Wein verwandeln...

Doch dann kam die von der britischen Premierministerin Theresa May vorgezogene Parlamentswahl vom 8. Juni. Aus dieser ging Sturgeon stark geschwächt hervor. Die SNP verlor 21 Mandate an Konservative, Labour und Liberaldemokraten, sie sank von 50 auf 37 Prozent. Ihre Fraktion blieb zwar die stärkste Schottlands, aber die Verluste waren ein Wählerwink mit dem Zaunpfahl.

Der Stimmenrückgang lag vor allem an Sturgeons Versprechen von »indyref 2« zur Trennung von England (was sie selbst einräumte). Das brächte möglicherweise den Vorteil, dass ein unabhängiges Schottland noch den Status eines EU-Mitglieds hätte behalten können. Andererseits: Die Zustimmung von Theresa May, Sturgeons Londoner Gegenspielerin, wäre nötig gewesen, um einen weiteren Wahlgang nördlich des Tweed-Flusses zu ermöglichen, und May hatte sich dagegen gesperrt. Die Brexit-Verhandlungen sind nach Mays Ansicht kompliziert genug, weitere Unsicherheiten erst nach erfolgtem EU-Austritt sinnvoll.

Vorher hatte Sturgeon jedoch mit weiser Vorsicht einen Vorbehalt geäußert: Indyref erst dann, wenn dies dem festen Willen einer Mehrheit des schottischen Volkes entsprechen würde. Dies wurde von sympathisierenden Akademikern wie Sir Tom Devine als eine 60-Prozent-Mehrheit für die Trennung von England über einen Zeitraum von zwölf Monaten interpretiert. Sonst würden die Nationalisten eine zweite Abstimmungsniederlage wie im September 2014, mit möglicherweise verheerenden Auswirkungen riskieren. Und laut Umfragen sinken parallel die Zahlen der »Scexit«-Befürworter. Sogar Sturgeons SNP-Parteifreund Alex Neil warnte vor einer vorzeitigen Abstimmung, obwohl ihre Bündnispartner der Grünen sie zum Durchhalten und zum baldigen Referendum aufgefordert haben.

Trotz ihrer Mehrheit im Holyrood-Parlament entschied sich Sturgeon, die Abstimmung auf die zumindest mittellange Bank zu schieben. Erst im Herbst 2018, wenn die Umstände des geplanten EU-Austritts Großbritanniens klar werden, solle erneut über den Zeitplan für ein Unabhängigkeitsreferendum entschieden werden. Derweil verlegt sich die Erste Ministerin auf die Betonung ihres Widerstandes gegen einen harten Brexit. »Wir werden alles tun, um Großbritannien in diese Richtung zu bewegen«, kündigte sie während ihrer Rede an. Sie verlangt lieber einen guten Zugang zum EU-Binnenmarkt mit einem »Vier-Nationen-Ansatz« durch Schaffung eines Gemeinsamen Minister-Ausschusses, um mit Engländern, Walisern und Nordiren an den Verhandlungen beteiligt zu werden.

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