Verfassungsschutz spielt Demo-Türsteher
Inlandsgeheimdienst warnt »gute Demokraten« vor »bösen Linksextremisten« / Voß: Mit denen generell keine Zusammenarbeit
Berlin. Kurz vor dem umstrittenen Gipfel der G20 in Hamburg, zu dem zahlreiche Proteste angekündigt sind, spielt der Verfassungsschutz den politischen Türsteher - und erklärt, mit wem »gute Demokraten« demonstrieren dürfen und mit wem nicht. Die verbale Aufmunitionierung vor den Demonstrationen, die mit weitgehenden Verbotsverfügungen belegt sind, geht damit unverdrossen weiter. Nun hat Hamburgs Verfassungsschutz vor der Teilnahme an bestimmten Demonstrationen gewarnt - weil diese von seiner Ansicht nach Linksextremen mitorganisiert werden.
»Der Verfassungsschutz hat überhaupt nichts gegen Versammlungen, im Gegenteil«, sagte Verfassungsschutzchef Torsten Voß der Deutschen Presse-Agentur. »Allerdings weisen wir ganz deutlich darauf hin, dass es auch von gewaltorientierten Linksextremisten organisierte Veranstaltungen gibt - und an denen sollte man als Demokrat nun nicht gerade teilnehmen.« Darunter sind »die Autonomen«, wie es die Nachrichtenagentur gerade so formuliert, als handele es sich um eine feststehende Gruppe. Ebenfalls auf der Igitt-Liste des politischen Inlandsgeheimdienstes: die Interventionistische Linke, einer der größten linksradikalen Zusammenschlüsse derzeit in der Bundesrepublik. Und einer der kooperationsfreudigsten.
Letzteres ist wohl der Punkt, der die Sicherheitsbehörden am stärksten stört. »Ich sage es ganz deutlich: Dies sind Extremisten, die zum Teil aus taktischen Gründen populäre Themen instrumentalisieren, um auch engagierte Demokraten zu erreichen«, sagt Verfassungsschutzsmann Voß. Mit ihnen solle es generell keine Zusammenarbeit geben, egal bei welchem Thema, gibt ihn die Presse-Agentur wieder. Erst vor wenigen Tagen hatte sich Hamburgs Innensenator Andy Grote fast wortgleich geäußert.
Die IL wird von den Behörden allen ernstes als »aktive gewaltorientierte Gruppierung« bezeichnet, »deren totalitäre Ideologie unvereinbar mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist«. Die Mitglieder der IL »missbrauchen« dabei »populäre Themen wie die Proteste gegen G20« - sagt Grote, als ob er nicht wüsste, dass die Proteste gegen die G20 maßgeblich von der IL organisiert werden, sie also selbst »das Populäre« ist, von dem der Politiker spricht. Die IL mache breite Bündnisarbeit und spreche gesellschaftlich viel debattierte Fragen aus Sicht der Schlapphüte nur an, »um Anhänger für die eigene totalitäre Weltanschauung zu gewinnen«.
Geradezu absurd wird es, wenn Grote kritisiert, der IL »geht es dabei nicht um die Stärkung der Grundrechte« - ausgerechnet jener Innenpolitiker, der für die massive Einschränkung von Grundrechten während des G20-Gipfels mitverantwortlich ist.
Die Interventionistische Linke selbst erklärte dieser Tage, die Medien würden sich »seit Wochen mit einer absurd überzogenen Gewaltdebatte« überschlagen. Es werde »systematisch Angst vor den Protesten geschürt und der Eindruck erweckt, als plane irgendwer im Ernst, die halbe Stadt zu zerstören oder die Hamburger Bevölkerung zu attackieren«. Dabei sei ein Missverhältnis offensichtlich, so das Bündnis lokaler Gruppen: »Während die Gewalt der Staatschefs, die Kriege führen und Fluchtwege versperren, achselzuckend hingenommen wird, sollen die Proteste gegen sie auf Friedlichkeit und Harmlosigkeit eingeschworen werden. Und während über die Gefahr für Fensterscheiben und Polizeifahrzeuge lamentiert wird, geht die tatsächliche, brutale, manchmal tödliche Gewalt bei Gipfelprotesten überwiegend von der Polizei aus.«
Mit Blick auf mögliche Auseinandersetzungen von Protestierenden mit der Polizei heißt es, man sei »voller Vertrauen, dass alle Aktivist_innen auf den Straßen verantwortliche Aktionen starten werden, die sich nicht gegen die Menschen in Hamburg, sondern gegen die G20 und diejenigen, die sie beschützen, richten werden«. Die Interventionistische Linke werde auch nicht jede der Aktionen »richtig finden, vielleicht werden wir auch solidarische Kritik üben. Aber wir werden niemals vergessen, auf welcher Seite wir stehen«. nd
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