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Trauer um »Wallanders Linda«

Rätsel um den Tod der schwedischen Schauspielerin Johanna Sällström

  • Jochen Reinert
  • Lesedauer: 3 Min.
Von Angehörigen alarmiert, rückte die Malmöer Polizei in der Nacht zum 14. Februar aus, um die Wohnung der 32-jährigen Schauspielerin Johanna Sällström aufzubrechen. Die Polizisten fanden die als Darstellerin von Linda, der Tochter von Kommissar Wallander in zahlreichen Henning-Mankell-Krimis weithin bekannte Aktrice, leblos vor. In einem ersten Kommentar schloss die Polizei äußere Gewalteinwirkung aus. Eine Obduktion soll Aufschluss über Todeszeit und -art geben. Seither rätseln die trauernden Schauspielerkollegen und Linda-Fans, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte. Johanna Sällström, am 30. Dezember 1974 in Stockholm geboren, debütierte bereits mit 15 Jahren in Shakespeares »Sommernachtstraum«. Danach absolvierte sie eine Schauspielausbildung an einem Stockholmer Gymnasium. Von 1993 an wirkte sie in über 30 Filmen und TV-Serien mit. Einem größeren Publikum wurde sie 1996 mit der TV-Serie »Tre Kronor« bekannt, wo sie eine junge Drogenabhängige spielte, die sich das Leben nahm. Ihren Durchbruch erreichte sie 1997 mit der Darstellung einer jungen, ebenfalls drogensüchtigen Frau in dem Film »Under Ytan« (Unter der Oberfläche), wofür sie mit dem »Guldbagge«, dem schwedischen Oscar, geehrt wurde. Nach Rollen in weiteren TV-Serien war sie u. a. in dem Film »Der fünfte Winter des Magnitiseurs« (nach dem historischen Roman von Per Olof Enquist) zu sehen. In »Hot dog« (2002) spielte sie ein Mädchen, das sich das Leben nehmen will. Der Tod war für Johanna Sällström nicht nur ein Filmthema. In ihrem Weihnachtsurlaub 2004 hat sie die Tsunami-Katastrophe hautnah miterlebt. Im Interview mit der Zeitschrift »Tove« äußerte sie vorigen Herbst: »Ich habe immer geglaubt, mit 30 sterben zu müssen. Nun bin ich bald 32. Heute bin ich verdammt glücklich, dass ich leben darf und noch eine Weile mitmischen kann.« Ihre größte Herausforderung war die Gestaltung der Polizistin Linda in insgesamt 13 Wallanderfilmen, von denen bereits mehrere in der ARD zu sehen waren. Als sie Mankells Krimi »Vor dem Frost«, der Vorlage für den ersten Film der Serie, gelesen hatte, war sie von der Figur sehr angetan und fühlte »einen starken Willen, Linda zu spielen«. In ihrer Rolle als Tochter Wallanders überzeugte sie als sensible, wandlungsfähige Schauspielerin. Dabei arbeitete sie eng mit Ewa-Gun Westford zusammen, der Informationschefin der Ystader Polizei, die uns kurz vor dem Aufnahmestart der Serie im Mai 2004 in ihrem Büro von den intensiven Vorbereitungen berichtete. Eine Besonderheit: Westford musste stets auch eine Betreuung für Sällströms Tochter Talulah organisieren, die einer Beziehung mit einem Berliner Kameramann entstammt. Wie alle anderen Mitgestalter der Wallanderfilme hat »Lindas« Tod Ewa-Gun Westford schwer getroffen: »Das ist auch für uns sehr tragisch, wir kannten sie alle sehr gut.« Nach Abschluss der knapp zweijährigen Dreharbeiten in den Ystader Studios von Yellow Bird Productions war Johanna Sällström buchstäblich ausgebrannt. Regisseur Kjell Sundvall, mit dem sie unmittelbar vor den Wallander-Filmen die TV-Serie »Paragraf 9« drehte, äußerte in einem »Expressen«-Beitrag unter der Schlagzeile »Johanna an der Filmhetze zerbrochen«, dass die Schauspielerin stets sehr hohe Anforderungen an sich stellte und immer »unerhört hart« gearbeitet habe. »Das war nahezu unmenschlich, aber sie machte es auf eine fantastische Art und Weise. Sie sagte, dass sie eigentlich eine Pause benötige, aber daraus wurde nichts.« Als letzte Rolle ihres Lebens spiele Johanna Sällström die Nina in Tschechows »Möwe« am Stadttheater Ystad, wohin sie sich zurückgezogen hatte, um Ruhe zu finden. »Auf der Bühne gebe ich eine Mischung aus Lust und Schrecken«, sagte sie vor der Premiere am 3. November, »aber privat bin ich die Sicherheit selbst und stehe mit beiden Beinen auf der Erde.« Doch das klang sehr nach Selbsttherapie. Eines Abends musste sie ihr Spiel abbrechen und sich in eine psychiatrische Klinik begeben. Wie ihre Ystader Theaterkollegen, die Anfang der Woche mit einer Gedenkstunde Abschied nahmen, kann auch Henning Mankell den Verlust kaum fassen. »Ich bin sehr, sehr betroffen - es ist unfassbar tragisch, was sich ereignete. Johanna war ein fantastisch feiner Mensch und eine sehr tüchtige Schauspielerin.«
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