Pro Asyl wirft Berlin, Paris und Rom »Angriff auf Asylrecht« vor
Menschenrechtsorganisation kritisiert »Hilfspläne« für Italien / »Verhaltenskodex« für Flüchtlingsretter im Mittelmeer geplant
Brüssel. Die Hilfsorganisation Pro Asyl hat die Pläne Deutschlands, Frankreichs und Italiens in der Flüchtlingspolitik scharf kritisiert. Die Regierungen wollten »eine doppelte Mauer gegen Flüchtlinge auf dem Mittelmeer und an der Südgrenze Libyens errichten«, erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt am Montag. Sie versuchten damit, »das Problem aus Sichtweite des Radarschirms der Öffentlichkeit zu bekommen«. Burkhardt sprach vom »größten Angriff auf das europäische Asylrecht seit Gründung der EU«.
Wegen gestiegener Ankunftszahlen hatte Italien gedroht, Schiffe mit Flüchtlingen nicht mehr in seine Häfen zu lassen. Nach einem Treffen der Innenminister Deutschlands, Frankreichs, Italiens sowie der EU-Kommission am Sonntagabend verlangten die Teilnehmer unter anderem eine bessere Kontrolle der Südgrenze Libyens, mehr Abschiebungen aus Europa und einen »Verhaltenskodex« für private Hilfsorganisationen, die Flüchtlinge vor der Küste Libyens retten. Der Vorstoß soll am Donnerstag bei einem Treffen der EU-Innenminister diskutiert werden.
»Die Lage im Mittelmeer wird in jedem Fall durch internationales Recht geregelt«, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel. »Nach meiner Auffassung könnte ein Verhaltenskodex eine Art detailliertere Erklärung dazu liefern, wie dieses Recht auszulegen ist.« Am Dienstag wolle die EU-Kommission Unterstützungsmöglichkeiten für Italien vorschlagen.
Organisationen, die in der Nähe der libyschen Küste Geflüchtete aus Seenot retten und die Menschen meistens in Italien an Land bringen, waren in den vergangenen Monaten immer wieder kritisiert worden. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hatte den Seenotrettern vorgeworfen, Einsätze immer näher an der libyschen Küste zu fahren und dadurch unwillentlich Schmugglern in die Hände zu spielen. Die Hilfsorganisationen halten dagegen, dass ohne ihre Einsätze noch mehr Menschen auf der Flucht ertrinken würden. In diesem Jahr kamen bereits mehr als 2000 Menschen im Mittelmeer um.
Weil derzeit besonders viele Gerettete an italienischen Häfen ankommen, schlägt die Regierung in Rom Alarm. Zuletzt hatte sie mit der Abweisung von Schiffen ausländischer Hilfsorganisationen in heimischen Häfen gedroht, sollte die EU Italien nicht mehr unterstützen. Sie will damit eine fairere Lastenverteilung einfordern. Italien - Hauptankunftsland für Bootsflüchtlinge in Europa - hatte die EU-Partner zuletzt mehrfach um Hilfe bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise gebeten.
Die Grünen im Bundestag bezeichneten die Hilfen für die libysche Küstenwache als »Irrweg«. »Anstatt immer mehr Geld in einen Küstenschutz zu stecken, bei dem große Fragezeichen in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Einhaltung humanitärer Standards bestehen (...), sollte die EU endlich zu einem System kommen, das die Geretteten fair und gerecht über alle europäischen Länder verteilt«, sagte die Abgeordnete Franziska Brantner einer Mitteilung zufolge. Hilfen für die libysche Küstenwache stoßen auch bei Menschenrechtsorganisationen auf Kritik, die die Sicherheit der Migranten in dem Bürgerkriegsland nicht gewährleistet sehen.
Ziel der Pläne der EU-Innenminister sei laut Pro Asyl »die Abschottung Europas auf Kosten der Flüchtlinge«, sagte Geschäftsführer Burkhardt. Die Maßnahmen richteten sich auch gegen Asylbewerber aus Eritrea und Somalia, die in Deutschland »in hohem Maße als schutzbedürftig anerkannt« würden.
Burkhardt verlangte, dass alle über Libyen kommenden Schutzsuchenden in den nächstgelegenen EU-Hafen in Malta gebracht werden. »Es ist absurd, dass Menschen überhaupt bis nach Italien oder in die Nähe fahren müssen.« Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration starben dieses Jahr schon mehr als 2000 Menschen bei dem Versuch, über das zentrale Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.