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»Die Polizei pfefferte den jungen Mann bewusstlos«

Die Ko-Vorsitzende der Hamburger Linksfraktion Sabine Boeddinghaus über die brutale Räumung des Protestcamps in Entenwerder

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie waren gestern vor Ort im Camp Entenwerder, als es zur Räumung kam. Was genau ist passiert?
Die Polizei hatte die Zufahrt zum Camp Entenwerder den ganzen Sonntag über blockiert – entgegen der juristischen Erlaubnis des Verwaltungsgerichts, das Camp mit Schlafzelten aufzubauen. Abends öffnete sie den Zugang überraschend. Das löste eine große Euphorie aus, die jungen Menschen haben ihre Zelte auf das Gelände getragen und mit dem Aufbau begonnen.

Wie kam es dann zur Räumung?
Man merkte allmählich, dass die Polizei sich nicht zurückzog – sondern immer mehr Hundertschaften hinzu kamen. Die Beamten stellten sich in Reihen um das Gelände herum auf. Das war eine bedrückende Stimmung.

Zur Person

Sabine Boeddinghaus ist Ko-Vorsitzende der Hamburger Linksfraktion. Als parlamentarische Beobachterin war sie bei der Räumung des G20-Protestcamps in Entenwerder vor Ort. Mit der Politikerin sprach in Hamburg Elsa Koester.

Waren die Aktivisten aggressiv?
Nein, überhaupt nicht. Seitens des Camps wurde in ruhigen Worten appelliert, die Nerven zu bewahren. Ich habe einen großen Respekt vor den jungen Leuten, die angesichts dieser Bedrohungslage ruhig geblieben sind.

Bei dem Polizeieinsatz soll es dann Verletzte gegeben haben.
Mehrere Menschen wurden verletzt. Die Polizisten sind wahllos in die Gruppen rein gerannt und haben Pfefferspray gesprüht, direkt in die Gesichter. Sie sind auch in den Lautsprecherwagen rein und haben darin einen jungen Mann mit Pfeffer angegriffen. Er bekam daraufhin keine Luft mehr und kollabierte. Schwer verletzt lag er lange auf der Wiese, bis man einen Sanitäter finden konnte und er ins Bewusstsein zurück fand.

Waren Anwälte vor Ort?
Ja, eine Anwältin, die durch die Polizeisperre wollte und ihren Ausweis gezeigt hat, wurde von mindestens vier Polizisten wahllos hin- und hergeschubst, bis sie durchgelassen wurde. Es gab eine unheimliche Aggression auf Seiten der Polizei. Aber die jungen Menschen haben sich nicht beirren lassen. Von ihnen ging absolut keine Gewalt aus. Sie haben Sitzblockaden gemacht. In einer friedlichen Geste haben sie ihre Zelte verteidigt. Ich fand sie sehr tapfer. Die Gewalt ging von der Polizei aus.

camp

Wie beurteilen Sie diesen Polizeieinsatz politisch?
Die Polizei hat am Sonntag das Gesetz gebrochen. Es gab ein gültiges Urteil des Verwaltungsgerichts, dass das Camp aufgebaut werden darf, mit Schlafzelten, Küchen und Duschen. Die Polizei hat sich über dieses Urteil hinweggesetzt. Politisch verantwortlich dafür ist der Hamburger Innensenator, Andy Grote. Und der war gestern völlig abgetaucht, anstatt Verantwortung zu übernehmen.

Fordern Sie Konsequenzen?
Grote muss zurücktreten. Wenn er das nicht tut – das würde mich nicht überraschen – dann muss er politisch handeln und zeigen, dass er das Zepter in der Hand hat, und nicht der Einsatzleiter Hartmut Dudde, der offenbar völlig losgelöst von jedem Recht schaltet und waltet. Man kann es nicht anders sagen: Hamburg ist zur Zeit ein Polizeistaat.

Aber das Verwaltungsgericht hat der Polizei anschließend doch recht gegeben.
Ja, aber das konnte zur Zeit des Einsatzes doch niemand wissen! Das Verwaltungsgericht hätte das erste Urteil ja durchaus bestätigen können. Die gerichtliche Urteil im Nachhinein ist völlig irrelevant. Die Polizei hat das Gesetz gebrochen – 32 Stunden lang, so lange das erste Urteil galt. Der Polizei ist es schietegal, wie die Gerichte in Hamburg entscheiden.

Wo sollen die Leute jetzt schlafen?
Das steht in den Sternen. Ich kann nur hoffen, dass vor das Oberverwaltungsgericht gegangen wird. Es ist unverantwortlich, dass der Senat nicht dafür sorgt, dass es Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Aber das ist die Absicht dahinter: Es sollen keine Leute kommen zum Protest. Das Konzept der Abschreckung geht jedoch nicht auf. Es sind schon viele da – aus den verschiedensten Ländern. Und es werden noch viel mehr Menschen zum Protest gegen die G20 nach Hamburg kommen.

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