Der hat’s geschafft
Andy Schleck galt einst als der kommende Dominator, doch der Trainingsalltag wurde ihm zu viel. Jetzt findet er zum Radsport zurück
Die Tour de France fuhr durchs Land von Andy Schleck. Das Antlitz des nachträglich zum Sieger des Rennens von 2010 gekürten Luxemburgers prangte auf einem Megaposter am Straßenrand, als das Feld der besten Radprofis ins Großherzogtum einfuhr. Im Gegensatz zum Tourauftakt in Deutschland, wo keine Bilder des einzigen Toursiegers Jan Ullrich zu sehen waren, setzten die Luxemburger alle vier heimischen Sieger groß ins Bild. Unter dem Titel »Let’s make it happen« betreibt Luxemburg derzeit nation branding. Lasst es uns schaffen! Da es François Faber (Sieger 1905), Nicolas Frantz (1927, 1928), Charly Gaul (1958) und Schleck schon geschafft haben, blickten ihre Gesichter nun unter dem abgewandelten Slogan »They made it happen« ins hüglige Land.
Als einziger der vier weilt Schleck noch unter den Lebenden. Daher trat er auch in Fleisch und Blut bei der Tour auf. Das französische Fernsehen engagierte ihn als Kommentator der 3. Etappe, die über 140 von 212 Kilometern durch Luxemburg führte. Schleck stellte Land und Leute vor und sprach über die eigene Karriere.
Die ist allerdings schon vorbei: Mit 29 hat er sie vor drei Jahren beendet. Mittlerweile hat er seinen Weg zurück zum Sport gefunden. Er betreibt einen Radladen in Itzig, unweit des Startortes der 4. Etappe, und verantwortete im Frühjahr seine erste Luxemburg-Rundfahrt als Organisationspräsident. Den einheimischen Medien zufolge war es ein Erfolg. Einige internationale Cracks wie Olympiasieger Greg van Avermaet konnte Schleck engagieren. Der Belgier gewann dann auch.
Mit seinem Abschied vom Leistungssport wirkt das einstige Klettertalent Schleck im Reinen. Dabei ist Titelverteidiger Chris Froome sogar älter als er, wenn auch nur drei Wochen. Mehr Talent hatte der Luxemburger aufzuweisen, sagt ein Mann, der beide auf Herz und Nieren getestet hat. »Froome ist zwar der am schwersten zu schlagende Konkurrent, gegen den ich je gefahren bin«, meinte Alberto Contador zum »Luxemburger Wort«. »Aber was das Talent betrifft, war Andy Schleck mein größter Rivale. Bevor ich zum Team Saxo Bank gewechselt bin, fuhr Andy für die Mannschaft. So bekam ich einen kleinen Einblick in seine Trainingsmethoden. Dadurch weiß ich, dass das, was er geleistet hat, einfach klasse war«, fuhr der Spanier fort.
Auch solche süßen Worte konnten Schleck nicht zurück in den Alltag der Trainingsquälerei bringen. »Ich kann erst jetzt die Tour de France richtig erleben. Als Fahrer kommst du im Bus an und bleibst so lange wie möglich drin, bis die Etappe startet. Erst nach meinem Rücktritt habe ich mir vor Augen geführt, was das für ein Leben ist. Es ist nicht immer angenehm. Jetzt nehme ich die Tour anders wahr«, sagte Schleck am Montag.
Lieber betreibt er heute sein Radgeschäft. Er hat geheiratet und ist zweifacher Vater. Die Tourleitung hat ihn als Botschafter engagiert. Im Gegensatz zu manch altem Rivalen, der bei Sponsoren und Rennorganisatoren als persona non grata gilt, hat Schleck den Sprung in die Karriere nach der Karriere geschafft und gehört zur erweiterten Repräsentationsmannschaft um die Ex-Toursieger Bernard Hinault und Eddy Merckx.
Die Etappe von Verviers nach Longwy gewann übrigens Weltmeister Peter Sagan aus der Slowakei, der Brite Geraint Thomas verteidigte die Gesamtführung. Luxemburger fanden sich keine ganz vorn. Mit Ben Gastauer fährt nur einer mit im Peloton. Sein großes Plakat dürfte noch eine Weile auf sich warten lassen.
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