Einig in der Abwehr
Konferenz in Rom will EU-Grenzen »ganzheitlich« schützen
Sogar Vertreter des Sudans, dessen Präsident Umar al-Baschir wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt ist, waren geladen: In Rom fand am Donnerstag eine internationale Konferenz zum Thema Migration statt. Neben dem italienischen Außenminister Angelino Alfano waren Abgesandte der EU, der UNO, Libyens sowie Vertreter einiger der afrikanischen Herkunfts- und Transitländer wie Niger, Tunesien und Äthiopien anwesend. Für Deutschland nahm der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, an der Konferenz teil.
Das Treffen hatte mehrere Ziele. Zum einen möchte man die Partnerschaft mit einigen afrikanischen Staaten stärken, um - so heißt es im offiziellen Dokument - »die Außengrenze der EU durch einen neuen ganzheitlichen Ansatz zu schützen, der auf den Prinzipien Solidarität und Sicherheit basiert«. Der zweite Punkt ist der mögliche Anstieg von freiwilligen Rückführungen der Migranten in ihre Herkunftsländer.
Für Italien ist die Konferenz ein weiterer Versuch, das Flüchtlingsproblem in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit zu setzen. Das Mittelmeerland ist - so die Regierung von Ministerpräsident Paolo Gentiloni - mit dem »Flüchtlingsstrom« überfordert. In diesem Jahr haben etwa 83 000 Menschen das Meer überquert und sind in italienischen Häfen gelandet. Etwa 2000 Menschen sollen in diesem Zeitraum während der riskanten Überfahrt umgekommen sein. Italien erhofft sich jetzt in erster Linie mehr Hilfe von den EU-Staaten, die sich schon mehrmals dazu verpflichtet hatten, Flüchtlinge aufzunehmen. Diese Versprechen blieben bisher aber zum größten Teil leere Worthülsen. Auch die italienische Forderung danach, gerettete Migranten direkt in andere europäische Länder (zum Beispiel Spanien und Frankreich) zu bringen, wurde in den letzten Stunden von den Regierungen der betroffenen Länder und auch von Deutschland abgelehnt.
Als Geste der Hilflosigkeit ist wohl die Drohung zu werten, dass man italienische Häfen für die Schiffe der Nichtregierungsorganisationen, die im Mittelmeer tätig sind, sperren werde. Dies ist in Anbetracht des internationalen und des Seerechts schier unmöglich.
Die Konferenz in Rom wurde von Menschenrechtsorganisationen und vielen linken Parteien äußerst kritisch bewertet. Aus Sicht von Amnesty International (AI) ist die EU-Politik für die Menschen auf der Flucht gefährlich, auch und vor allem, wenn es um die von Italien und anderen Staaten so gewünschte Zusammenarbeit mit der anerkannten libyschen Regierung gehe. »Flüchtlinge und Migranten werden in Libyen inhaftiert, missbraucht, vergewaltigt und gefoltert«, erklärte René Wildangel, Experte für Nordafrika bei AI.
Stefano Galieni, einer der beiden Koordinatoren der Arbeitsgruppe zu Fragen der Immigration der Europäischen Linken sieht noch weitere Kritikpunkte. Den Ansatz der »freiwilligen Rückführungen« hält er für vollkommen verkehrt. »Die Flüchtenden riskieren ihr Leben und sind sicherlich nicht gewillt, für reine Versprechungen von ihrer Hoffnung auf eine bessere Zukunft abzulassen«, sagt er. Die Erfahrungen der letzten Monate mit Staaten wie Niger und Äthiopien hätten gezeigt, dass Abkommen mit diesen Staaten, denen man militärische und Wirtschaftshilfe zugesagt hatte, überhaupt nichts brachten. »Diese freiwilligen Rückführungen wären tatsächlich Zwangsrückführungen«, erklärt Galieni, »die von Frontex oder einzelnen Staaten durchgeführt werden, um die jeweilige interne Öffentlichkeit zu beruhigen«.
Für besonders verwerflich hält der Vertreter der Europäischen Linken die Einladung an Vertreter des Sudans aufgrund der Verurteilung ihres Präsidenten. »Tatsächlich aber hat Italien«, so Stefano Galieni, »aufgrund eines bilateralen Polizeiabkommens 40 Bürger des Sudan in ihr Land zurückgeschickt, ohne dass das Parlament davon in Kenntnis gesetzt wurde«. Sein Fazit: »Statt darüber nachzudenken, wie man wenige Personen mit horrenden Kosten zurückführen kann, sollte man sich lieber darüber Gedanken machen, wie man erreichen kann, dass die Menschen nicht während der Überfahrt sterben und wie man sie aus den Fängen der Schlepperbanden befreit«.
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