Bezahlbares Wohnen für alle
UNESCO würdigt weitere Bauhausstätten in Dessau und Bernau als Weltkulturerbe
Viel Platz ist nicht. Wer eine Wohnung in den Laubenganghäusern betritt, die 1930 von Studenten des Dessauer Bauhauses unter Leitung von Direktor Hannes Meyer errichtet wurden, steht in einem winzigen Flur. Es folgen Wohnräume, eine Küche, ein Bad mit Wanne - alles auf 48 Quadratmetern. »Man hat knapp und preiswert gebaut«, sagt Monika Markgraf, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Bauhaus, »aber in hoher architektonischer Qualität«. Es gibt Wandschränke, Müllschlucker und pfiffige Details wie Klinken, in die das Schloss integriert ist; und den Mietern wurde eine Ausstattung zur Verfügung gestellt, von der viele heutige Wohnungsnutzer träumen - zum Beispiel Mietergärten.
Die Laubenganghäuser sind einer der Orte, an denen nach den Worten von Markgraf »der moderne Städtebau entstanden ist«. Deshalb gehören sie jetzt zum Weltkulturerbe. Als »Beitrag zum sozialen Wohnungsbau« würdigte sie das Welterbekomitee der UNESCO, das bei seiner Tagung im polnischen Kraków einen Erweiterungsantrag für das Welterbe Bauhaus annahm. Zu fünf bereits 1996 ausgezeichneten Architekturensembles gesellen sich nun die fünf Wohnhäuser in Törten sowie eine frühere Gewerkschaftsschule in Bernau bei Berlin. Es war in diesem Jahr einer von zwei erfolgreichen deutschen Anträgen; auf die Erbeliste schafften es auch Höhlen mit eiszeitlicher Kunst in Süddeutschland. Dagegen wurde ein Antrag aus Naumburg zum zweiten Mal in die Warteschleife geschickt - immerhin. Das Beratungsgremium ICOMOS hatte dem Komitee die Ablehnung empfohlen. Dass sich dieses über die Empfehlung hinwegsetzte, sei »bisher ohne Beispiel«, frohlockte Sachsen-Anhalts Staatskanzleichef Rainer Robra (CDU).
Mit der Erweiterung werden eine neue Epoche im Wirken des Bauhauses sowie ihr prominentester Vertreter gewürdigt. Die bisher als Welterbe anerkannten Objekte, darunter das Bauhausgebäude in Dessau und das Haus am Horn in Weimar, stehen für die Periode, in der die Einrichtung von Walter Gropius geleitet wurde. Die Mietshäuser und die Bernauer Gewerkschaftsschule wurden 1930 gebaut. Zwei Jahre zuvor war Hannes Meyer Direktor geworden. Er reformierte die Einrichtung und führte dabei nicht nur eine kollektive Planung ein, sondern ließ bisherige Ideen auch nicht mehr nur in Villen wie den Meisterhäusern umsetzen. Es ging nun um »Volks- statt Luxusbedarf«, sagt Claudia Perren, Direktorin der Stiftung Bauhaus - oder, wie Thüringens Landeskonservator Holger Reinhardt sagt, um »bezahlbares Wohnen für alle«.
Für Meyer waren gesellschaftspolitische Aspekte von Architektur und Städtebau zentral. Der in der Schweiz gebürtige Architekt war Genossenschaftsideen verbunden und sympathisierte mit der linken Sozialdemokratie; nach seiner Ablösung als Direktor im August 1930 ging er nach Moskau. Soziale Fragen des Städtebaus erhielt in seiner Zeit völlig neues Gewicht an der Dessauer Kunst- und Gewerbeschule. Mit der Aufnahme beider Gebäude ins Welterbe erfahre Meyer eine »längst überfällige Anerkennung«, sagt Reinhardt, auch wenn er anmerkt, dass es von den Häusern in Törten nur ein »kleiner Schritt« zum gesichtslosen Wohnungsbau war, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts praktiziert wurde.
Bei den Laubenganghäusern schaute man noch nicht nur auf Geld und Tempo, sondern ließ auch Material und Farbe sprechen. Gleiches gilt für die ebenfalls 1930 gebaute Schule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bernau, ein kongenial in die gewellte Landschaft eingepasstes Ensemble aus Lehr- und Internatsgebäuden, das aus gelbem Backstein besteht und dank einer Sanierung in den vergangenen Jahren »bis heute zeitlose Schönheit ausstrahlt«, wie Brandenburgs Kunstministerin Martina Münch (SPD) anmerkt. Erbauen können sich daran Lehrlinge, die zu Lehrgängen der Handwerkskammer nach Bernau kommen. Auch die 90 Wohnungen in Törten sind bis heute begehrt und fast alle vermietet - bis auf eine Museumswohnung, die dank UNESCO-Titel nun noch öfter besucht werden dürfte.
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