Bahn spart an der Gütersparte
Beschäftigte und Gewerkschaften werfen DB-Cargo-Vorstand Realitätsverlust vor
Wenn der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG am Donnerstag kommender Woche zusammentritt, steht als einer der Hauptpunkte die Neubesetzung des für den Güterverkehr zuständigen Konzernvorstandspostens auf der Tagesordnung. Als aussichtsreiche Bewerber gelten Jürgen Wilder, derzeit Chef der Güterverkehrstochter DB Cargo, sowie Sigrid Nikutta, die bislang an der Spitze der Berliner Verkehrsbetriebe steht und in früheren Jahren bereits im Management der DB-Güterverkehrssparte tätig war. Wilder hat dem Vernehmen nach das Vertrauen des DB-Infrastrukturchefs und Ex-Kanzleramtschefs Ronald Pofalla (CDU), während Nikutta im Aufsichtsrat offenbar von den SPD-Mitgliedern auf der Seite des Anteilseigners und auch von den Gewerkschaftsvertretern favorisiert wird.
Wilder ist aufgrund der Krise in der Güterverkehrssparte angeschlagen. Er verspürt viel Gegenwind von der Basis, der auch bei der Aufsichtsratssitzung von DB Cargo an diesem Donnerstag zum Ausdruck kommen dürfte. So forderte die DGB-Bahngewerkschaft EVG in Absprache mit den Betriebsräten dieser Tage den Bereichsvorstand auf, »den desaströsen Sparkurs sofort zu beenden und das Unternehmen endlich auf Wachstum und Beschäftigung zu trimmen«.
Weil das Management seit Jahren auf Defizite und sinkende Marktanteile im Schienengüterverkehr in aller Regel mit einem weiteren Schrumpfkurs und einer Spirale nach unten reagiert, kommen bei den Beschäftigten Existenzängste auf. Vergangene Woche machte ein Brandbrief des Gesamtbetriebsrats die Runde, in dem schwere Vorwürfe gegen das Management der Güterbahn erhoben werden. Die Arbeitnehmervertreter warnen darin, »dass die DB Cargo gegen die Wand gefahren wird«.
Zielscheibe ihrer Kritik ist ein unter Wilder vorangetriebener Plan zur »Umstrukturierung« der DB-Güterverkehrstochter, der vor allem auf Personalabbau und Rückzug aus der Fläche abzielt sowie offensichtlich in der Umsetzung große Probleme aufwirft. »Die Planzahlen des Vorstands haben nichts mit der Realität vor Ort zu tun«, so die Interessenvertreter. »Die jetzige Umstrukturierung ist eine absolute Bankrotterklärung. Loks und Wagen fehlen - Kunden werden bewusst enttäuscht.«
Im betrieblichen Alltag bedeutet die »Umstrukturierung« nach Aussagen von Insidern, dass Aufträge von industriellen Großkunden mitunter nicht fristgerecht ausgeführt werden können, weil aufgrund des Kapazitätsabbaus Rollmaterial und Personal fehlt. Auch sei die vom Vorstand eingesetzte digitale Technik »nicht ausgereift« und entspreche nicht den Alltagsanforderungen, so ein Betriebsrat gegenüber »nd«. Daher drohe der weitere Verlust von Aufträgen und Kunden. Ein von den Betriebsräten vorgelegtes Alternativkonzept sieht Schritte zur Steigerung von Wachstum, Produktivität, Qualität und Beschäftigung der Güterbahn vor, wurde bislang vom Management aber weitgehend ignoriert.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte jüngst im Rahmen eines »Masterplans« eine massive Senkung der für die Nutzung der Infrastruktur von allen Bahnen erhobenen Trassenkosten ab 2018 angekündigt. Damit sollen die Wettbewerbsnachteile der Schiene gegenüber der Straße ausgeglichen werden. Diese Absicht entspricht einer seit langem von Gewerkschaftern und Betriebsräten aufgestellten Forderung. Vor diesem Hintergrund verlangen sie jetzt von den DB-Managern erneut, jeglichen Personalabbau sofort zu stoppen und stattdessen auf Expansion zu setzen. »Sonst könnte der personelle Aderlass ein mögliches Wachstum des Schienengüterverkehrs im Keim ersticken«, lautet ihre Warnung.
Mit Verwunderung registrieren Eisenbahner, dass die Logistiktochter DB Schenker jetzt an Forschungsprojekten zur Entwicklung autonomer Fahrzeugtechnologien und elektronischer Deichseln arbeitet. So könnten bald digital aneinander gekoppelte fahrerlose Lkw im Konvoi über die Autobahnen rollen. Damit wären nicht nur viele Fahrerjobs gefährdet, sondern auch bisherige Systemvorteile des Schienenverkehrs entwertet.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.