Die Natur ist nicht schlecht, sie ist nur voll

Eine Folge über das Seenbaden. Heute: Der Schlachtensee in Zehlendorf

  • Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Schlachtensee. Die Hinterhof-Plansche aller an der S1 Lebenden, zumindest südlich vom Potsdamer Platz. Auf der Wiese zwischen Bahnstation und Wasser begrüßen den Ankommenden rosa Flamingos, aufgeblasen und aus Plastik, darin sitzen Menschen auf dem Trockenen, in den Händen Sektgläser.

Das sandige Ufer ist am Nachmittag millimeterdicht belagert, es riecht nach Autan. Jetzt in keine Scherbe treten, das Wasser ist angenehm kühl, vorbei an der Entenfamilie, dem Paddelschlag eines Schlauchbootes ausweichend.

Tatsächlich könnte man sich an diesem boomerangförmigen See mit dichter Böschung fast in der Wildnis wähnen - in den Abendstunden fliegt sogar ein Kranich dicht über uns Schwimmende hinweg. Ja, wäre da nicht das permanente Rauschen, das nicht der Brandung, sondern der Autobahn geschuldet ist. Ja, wäre da nicht eine »Wo ist meine Tasche?!«-kreischende Frau, die am Ufer hektisch ihren Sohn instruiert, in die eine Richtung zu rennen, während sie in die andere Richtung rennt, um Diebe und Diebesgut zu suchen.

»Was soll das bringen, Mama?«, fragt der Junge, er ist zwar schon groß, aber noch zu klein, um sich mit Argumenten bei seiner Erziehungsberechtigten Gehör zu verschaffen. »Haben Sie denn niemanden beobachtet?«, fragt die Frau eine benachbarte Familie auf einer Decke. Doch, doch, sagt der Familienvater ungerührt, zwei Frauen, vor circa fünf Minuten.

Am Bahnsteig, eine Viertelstunde später, schreien sich Mutter und Sohn immer noch an. Dass man in NOTFÄLLEN ohne Fahrschein fahren dürfe, schreit die Mutter, dass man das eben genau NICHT dürfe, insitiert der Sohn und wird schon in die offene Tür der S1 geschoben. Schon wieder hat er recht, denke ich. Schon wieder ist Wissen nicht Macht.

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