»Der Gipfel ...

Kathrin Gerlof darüber, wie schön es in Elmau war, und sinnvolle Gewalt, die naturgemäß auf «sinnlose» folgt

  • Lesedauer: 3 Min.

... war teuer, er war für die militante Szene abschreckend und bot wenig Möglichkeiten zum Protest, aber er war auch sicher, sehr friedlich, und xx (Auflösung später) konnte für sich in Anspruch nehmen, den Ort für einen der wichtigsten klimapolitischen Beschlüsse der Gegenwart bereitet zu haben. Die Welt bekam ein Bilderbuchland zu sehen und keinerlei hässliche Ausschreitungen.«

Die FAZ und ihr Blog waren uns während der Tage in Hamburg ein wichtiges Leitmedium. In einem Meer von Gewalt und Fassungslosigkeit erinnerte der/das Blog zum Beispiel an einen anderen Gipfel. Nur 7 G an der Zahl, die sich 2015 trafen im schönen Elmau, im noch schöneren Bayern, und weil vorher niemand davor zurückscheute, ordentlich Geld auszugeben, lief das Ganze auch friedlich ab. Also nicht nur deswegen. »Garmisch ist viel zu klein, um jenen urbanen Straßenkampf zu entfesseln, den man in Genua erlebte. Die Bevölkerung hat keinerlei autonome Strukturen und Subkulturen, die es Randalierern erlauben würden, zwischen Zivilisten unterzutauchen. Zumeist junge Fremde sind im Altenghetto Garmisch reichlich auffällig und können keine Rückzugsräume finden«, resümierte der/das fazblog. G20 2017 fand also am falschen Ort statt, da, wo junge Fremde oder fremde Junge nicht auffallen. Deshalb gilt, was Staatsmann Gabriel sagt: »Deutschlands Bild wird durch die Ereignisse in Hamburg schwer in Mitleidenschaft gezogen.«

Was will die jetzt mit Hamburg, ist doch lange vorbei, mag manche Leserin vielleicht denken. Und gut ließe sich dieser Trugschluss als Schlussstrich nutzen. Schwamm drüber, jetzt ist der Rechtsstaat gefragt, alles aufzuarbeiten. Autos haben gebrannt, wir haben geschrien (das tut körperlich weh, wirklich, wenn so ein heiliges Blechle Feuer fängt), jetzt können wir wieder schweigen, weil wir laut gesagt und gepostet haben: Gewalt ist keine Lösung. Vor allem, wenn sie »sinnlos« ist. Also nur dann, um ehrlich zu sein. Es gibt schon eine Menge Gewalt, das stellt der Kapitalismus, das gefräßige Luder, seit 500 Jahren unter Beweis, die Probleme löst und Profit generiert. Gewalt an sich ist nicht böse. Überhaupt ist nichts »an sich« böse. Sie, die Gewalt, braucht nur staatliche Legitimation, dann geht das in Ordnung. In so manchem Krieg, an dem deutsche Waffen beteiligt sind, brennen auch mal Autos von Zivilisten. Das ist nicht schön, aber kollateral. Sozusagen. In Hamburg, mitten in einer funktionierenden Demokratie, also nicht irgendwo in der afghanischen Pampa oder so, ist es aber schrecklich.

In Hamburg hatten wir es demzufolge mit »sinnloser Gewalt« zu tun. Das geht gar nicht. Jetzt muss sinnvolle Gewalt folgen. Und wir werden sie in Nachbereitung von Hamburg bekommen - in Form von Gesetzen, noch mehr Überwachung, alten/ neuen Feindbildern, einer weiteren Militarisierung der Gesellschaft und der weiteren Legitimation militärischer Verkehrsformen im Inland. Da kann man schon eine Wut auf all die Arschlöcher kriegen, die nach Hamburg gereist sind, um Spaß zu haben. Die reduziert auf die Tätigkeit nur des Stammhirns (fressen, ficken, fechten) nicht etwa gegen, stattdessen für den Kapitalismus eine Lanze brachen. Aber bitte: Jedes System schafft sich seine Schlägertruppen und am besten funktionieren jene, die glauben, sie stünden auf der anderen Seite.

Hamburg ist vorbei, aber die Aufrüstung folgt. Elmau, wo alles so schön friedlich war, hat leider keine passende Vorlage geboten, den Sicherheitsstaat noch weiter auszubauen und endlich von der Randerscheinung rechter Gewalt (Who the fuck is NSU?) auf das eigentliche Problem, den linken Terrorismus, zu lenken. We love Hamburg. Bevor wir noch einmal zulassen, dass unsere Autos brennen, werden wir lieber alles abnicken, was uns als vorbeugende Maßnahme verklickert wird. Kollateralschäden wird es geben. Aber es wird sich um sinnvolle Gewalt handeln. Und die ist - natürlich! - eine Lösung.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -