Sejm beschließt geändertes Gesetz zum Obersten Gericht

Polens Opposition bewertet Vorhaben als verfassungswidrig / Präsident Duda lehnt Treffen mit EU-Ratspräsident Tusk ab

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Warschau. Unbeeindruckt von den Sanktionsdrohungen der EU-Kommission treibt Polens Regierung seine umstrittene Justizreform voran. Das Parlament nahm am Donnerstag einen geänderten Gesetzentwurf der mit absoluter Mehrheit regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zur Neuordnung des Obersten Gerichts an. Dem in einer nächtlichen Justizausschuss-Sitzung überarbeiteten Gesetz müssen noch der Senat, in dem die Nationalkonservativen ebenfalls die Mehrheit haben, sowie Präsident Andrzej Duda zustimmen.

Experten bemängeln, die geplanten Änderungen am Obersten Gericht und Landesrichterrat KRS stellten eine Gefahr für die Unabhängigkeit innerhalb von Polens Gewaltenteilung dar. Opposition und Kommission fürchten eine Einflussnahme der Regierenden auf Richter und Gerichte. Daran würden auch die Nachbesserungen nichts ändern, sagen Experten.

Die Änderungen bei der Zusammensetzung des Landesrichterrats seien verfassungswidrig, sagte der Sprecher des KRS-Gremiums. »Es ist ein schwarzer Tag in der Geschichte Polens«, sagte Grzegorz Schetyna, Chef der Oppositionspartei PO. Am Mittwoch hatte Brüssel Polens Regierende zum Stopp der Pläne aufgefordert und gedroht, ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages einzuleiten, der als schwerste Sanktion eine Aussetzung der Stimmrechte des Mitgliedstaates vorsieht. Die Kritik hatte Polens Außenministerium als »ungerechtfertigt« zurückgewiesen.

Scharfe Kritik aus der EU und von NGOs

Am Donnerstag schloss sich auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) der Kritik an dem Gesetz. an. Ihre Osteuropa-Expertin Lydia Gall erklärte: »Das polnische Parlament sollte dieses zutiefst fehlerhafte Gesetz ablehnen. Es widerspricht den Standards der EU und des Europarates.« Zuvor hatte die EU-Kommission mit Sanktionen gedroht, sollte die Reform ohne Änderungen durchkommen.

Polens rechtsnationalistische Regierung will mit einer Reihe von Gesetzesänderungen ihre Kontrolle über die Gerichte ausbauen. Bereits beschlossen wurden Gesetzestexte zur Besetzung von Richterstellen. Am Donnerstag soll das Unterhaus endgültig über einen Gesetzentwurf abstimmen, mit dem der Oberste Gerichtshof der Regierungskontrolle unterstellt werden soll. Am Freitag könnte das Vorhaben dann vom Senat gebilligt werden. Die Organisation HRW warnte vor einem »Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz«.

EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans hatte am Mittwoch die polnische Regierung aufgefordert, die Reform auszusetzen und wieder Gespräche mit Brüssel über die Rechtsstaatlichkeit aufzunehmen. Die Kommission werde ohne Änderungen an der Reform wahrscheinlich ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten - und womöglich auch eine Prozedur zum Entzug von Stimmrechten.

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn begrüßte am Donnerstag in einem SWR-Interview die deutlichen Worte Timmermans. Er sagte, wenn die Rechtsstaatlichkeit in der EU mit Füßen getreten werde, könne das nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaute Europa auseinanderfallen. Asselborn appellierte an Deutschland und Frankreich, im EU-Ministerrat klar Position zu beziehen. Er mache sich Sorgen, dass dieser - anders als das EU-Parlament und die Kommission - nicht handeln werde.

Aus dem EU-Parlament kam am Donnerstag ebenfalls harsche Kritik an Polen. Der Europabgeordnete Markus Ferber (CSU) erinnerte im MDR daran, dass die härteste Strafe, die die EU-Verträge vorsähen, ein Stimmrechtsentzug Polens im Ministerrat sei. »Wer hier an das Grundprinzip des Rechtsstaats geht, mit dem muss auch hart gesprochen werden«, sagte Ferber.

Polens konservativer Präsident Andrzej Duda hatte sich am Dienstag überraschend gegen bereits beschlossene Teile der Justizreform gestellt - nun lehnte er allerdings ein Treffen mit EU-Ratspräsident Donald Tusk ab. Aus Sicht des polnischen Staatschefs gebe es »keine Grundlage dafür, dass der Chef des europäischen Rates interveniert«, sagte Dudas außenpolitischer Berater Krzysztof Szczerski nach Angaben der polnischen Nachrichtenagentur PAP. Tusk müsse das Thema in Brüssel, nicht in Warschau ansprechen. Agenturen/nd

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