Alien-Invasion? Trump jagt »Wahlbetrüger«
Eine Kommission soll »bleibenden Zweifeln« über illegale Voten für Hillary Clinton nachgehen
Kris Korbach jagt Wähler. Und zwar jene, die nach Meinung von US-Präsident Trump illegal für Hillary Clinton gestimmt haben. Man müsse »bleibenden Zweifeln« nachgehen, erklärte Korbach. Der Republikaner aus Kansas ist Vorsitzender der von Trump einberufenen »Kommission für Wahlintegrität«. In seinem Heimatstaat habe er möglichen Wahlbetrug durch Migranten oder verurteilte Straftäter untersucht, nun müsse man eine »landesweite Untersuchung« durchführen, fordert Korbach.
Dazu traf sich die Kommission am Donnerstag zum ersten Mal, hinter verschlossenen Türen. Obwohl die Gruppe angekündigt hatte, öffentlich zu tagen, konnte die Öffentlichkeit nur per Livestream teilhaben.
Ende Juni hatte die Anfang Mai per Erlass des Präsidenten gegründete Kommission die Bundesstaaten aufgefordert, zahlreiche Daten aus ihren Wählerverzeichnissen an die Kommission zu übergeben - darunter Adressen, Geburtsdaten, Teile der Sozialversicherungsnummer und die Wahlbeteiligung seit 2006.
44 der 50 Bundesstaaten - auch republikanisch regierte - hatten das unter Verweis auf den Datenschutz abgelehnt oder nur bereits öffentlich verfügbare Daten zugänglich gemacht. Die Kommission könne »in den Golf von Mexiko springen«, er werde die »Privatsphäre der Bürger schützen«, erklärte etwa der Staatssekretär von Mississippi, Delbert Hoseman. Letzte Woche machte die Kommission dann einen Rückzieher, weil die Bürgerrechtsorganisation Electronic Privacy Information Center (EPIC) Klage eingereicht hatte.
Der amtierende US-Präsident hatte bei den Präsidentschaftswahlen die Mehrheit der Wahlmänner-Stimmen, nicht aber die des »Popular Vote« gewonnen. Landesweit hatte Hillary Clinton rund drei Millionen Stimmen mehr erhalten als der New Yorker Multimillionär. Immer wieder hatte Trump von »manipulierten« Wahlen gesprochen. Nach der Wahl behauptete der US-Präsident, er habe nach »Abzug der Stimmen von Millionen Menschen, die illegal gewählt haben«, auch die Mehrheit der Stimmen landesweit gewonnen.
Doch für Wahlbetrug haben Wissenschaftler nur verschwindend geringe Anzeichen gefunden. Zwar ermittelte eine Pew Research Studie 2012, dass landesweit 1,8 Millionen Menschen noch in den Wählerlisten eingetragen waren, obwohl sie bereits verstorben sind, doch es gibt keine Hinweise, dass daraus massenhafter Wahlbetrug folgte. Eine Studie der Loyola-Universität, die eine Milliarde abgegebene Stimmen von 2000 bis 2014 untersuchte, fand nur 31 explizite Betrugsindizien.
Trump und Korbach stehen in einer langen Tradition republikanischer Sorge über angeblichen Wahlbetrug durch Migranten und Straftäter, die in vielen US-Bundesstaaten nicht wählen dürfen. Um angeblichen Wahlbetrug zu verhindern, sind in vielen Staaten strikte Wählergesetze erlassen worden, die etwa eine frühzeitige Registrierung oder in einem Land ohne Ausweispflicht die Vorlage eines Ausweises verlangen und marginalisierte Gruppen benachteiligen - diese wählen häufig eher die Demokraten.
»Wir wollen die Stimme der amerikanischen Wähler hören«, denn »darum ginge es wirklich«, erklärte Vizepräsident Mike Pence am Mittwochabend. Tatsächlich gehe es dem Präsidenten aber nicht um Wahlbetrug, sondern darum marginalisierte Gruppen, die traditionell die Demokraten wählen, wie Latinos oder Schwarze von der Wahl abzuhalten, kritisieren liberale Aktivisten. Davon profitieren vor allem die Republikaner und ihre treuesten Wähler: eher wohlhabende und ältere Weiße.
»König der Wählerunterdrücker« nennt die Bürgerrechtsorganisation Kris Korbach übrigens. Sie hat in der Vergangenheit bereits vier Mal gegen den Republikaner geklagt. Ein anderes Mitglied der Kommission bebilderte einen Bericht über angeblichen Wahlbetrug mit Ufo-Bildern - die Überschrift: »Alien Invasion«.
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