Als Gentleman-Nazi dem Galgen entgangen
Albert Speer war kein Guter - eine Ausstellung in Nürnberg belegt seine Beteiligung an Gräueln des Hitler-Regimes
Mit Giftgas habe er Adolf Hitler und dessen Entourage im Führerbunker töten wollen, nur durch eine Barriere am Lüftungsrohr zu den Berliner Katakomben des Diktators sei das verhindert worden. Mit dieser Geschichte, deren Wahrheitsgehalt nie bewiesen wurde, beeindruckte Hitlers Rüstungsminister Albert Speer die Richter beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher offenbar sehr. Und nicht nur damit. Eloquent und taktisch klug wand sich der Angeklagte so geschickt aus vielen Vorwürfen, dass ihm der Galgen, an dem zwölf Mitangeklagte endeten, erspart blieb. Zu 20 Jahren Haft verurteilt, pflegte Speer vor und nach seiner Entlassung das Bild des »guten Nazis«. Das aber war er nicht, wie eine Ausstellung in Nürnberg belegt. »Albert Speer in der Bundesrepublik - Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit«, so ist sie betitelt.
Aufgeräumt mit der Legende vom »Gentleman« unter den Nazispitzen haben schon mehrere Autoren. Die Präsentation in der Frankenmetropole zeigt also nichts Überraschendes, aber: Bild- und Tonmedien sowie Dokumente aus der NS-Zeit vermitteln Wahrheiten über den Hitler-Vertrauten besonders eindrucksvoll in der düsteren Halle des Dokumentationszentrums. Es ist Teil des einstigen Reichsparteitagsgeländes, das der Architekt Speer einst schuf. Als »Lieblingsarchitekt« Hitlers verstand er es, die größenwahnsinnigen Bauvorhaben des »Führers« in konkrete Planungen umzusetzen. Vor allem das Konzept zur Umwandlung Berlins in die Reichshauptstadt »Germania«. Und schon in den ersten Schritten Speers zum Realisieren dieser Gigantomanie manifestierte sich dessen rassistisches, menschenverachtendes Denken.
In Wort und Ton, aus dem Bericht einer Historikerin, erfahren die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung unter anderem, wie Speer Tausende Juden in Berlin zwangsweise umsiedeln ließ. Ihre Wohnungen wurden jenen »Ariern« zugewiesen, deren Häuser für den Bau von »Germania« abgerissen werden sollten. Als »judenrein« bezeichnet der Naziarchitekt die Viertel, für die er die Vertreibungen angeordnet hatte.
Ebenfalls in Wort und Ton und anhand von Dokumenten beweist die Präsentation, dass Speer sehr wohl von Auschwitz wusste. Er persönlich war es, der Material für den Ausbau des Vernichtungslagers genehmigte. Und als ihn Hitler 1942 zum Rüstungsminister ernannt hatte, war der Architekt maßgeblich am Zwangsarbeitersystem beteiligt. So schickte er Häftlinge ins KZ Mittelbau Dora, in dem sich 20 000 Menschen zu Tode schuften mussten bei der Herstellung der Raketenwaffe »V 2«.
Die Rüstungsproduktion wurde auf Speers Betreiben in Deutschland erheblich gesteigert. So trug der Minister entscheidend dazu bei, den Krieg zu verlängern und machte sich demzufolge mitschuldig an den unzähligen Toten im letzten Kriegsjahr.
Nach dem Krieg, sowohl im Nürnberger Prozess als auch während und nach seiner 20 Jahre im Spandauer Kriegsverbrechergefängnis war Albert Speer ein Musterbeispiel jener Deutschen, die »von allem nichts gewusst« haben wollten. Solche Behauptungen aus seinem Munde sind als Tonkonserve bewahrt, empfangen das Publikum aus Lautsprechern am Eingang zur Ausstellung neben lebensgroßen Fotografien: des »Führers« braun uniformierter Architekt und der Zivilist in den 1970er-Jahren vor seiner Villa in Heidelberg.
Albert Speer, durch den Verkauf mehrerer Bücher wohlhabend geworden, starb 76-jährig 1981 in London während einer Interview-Reise. Dieses Alter hätte er vermutlich nicht erreicht, wären beim Kriegsverbrecherprozess 1945 schon all jene Erkenntnisse offenbar gewesen, die jetzt in Nürnberg präsentiert werden.
Die Ausstellung »Albert Speer in der Bundesrepublik - Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit« im Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagslände ist bis zum 26. November zu sehen.
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