»Es gibt bereits Merkmale einer Diktatur«

Tirza Flores Lanza über die Entwicklung in Honduras unter dem Präsidenten Juan Orlando Hernández

  • Jutta Blume
  • Lesedauer: 5 Min.

Präsident Juan Orlando Hernández von der Nationalen Partei von Honduras (PNH) wird 2017 wieder kandidieren. Dabei wurde der honduranische Staat 2015 von einem massiven Korruptionsskandal erschüttert, bei dem Millionen aus dem staatlichen Gesundheitssystem abgezweigt wurden. Ein Teil des entwendeten Geldes war auch in die Wahlkampagne von Hernández geflossen. Warum haben der Präsident und seine regierende PNH diesen Skandal weitgehend unbeschadet überstanden?
Weil sie den Justizsektor kontrolliert. Die Staatsanwaltschaft, die der Nationalen Partei zu Diensten ist, wird gegen kein Parteimitglied ermitteln oder es anklagen. Das führt zu hoher Straflosigkeit, sowohl in Bezug auf die Korruption als auch auf Menschenrechtsverletzungen. Die Staatsanwälte verfolgen nur die Delikte, die sie verfolgen wollen.

Im Zuge des Korruptionsskandals und der darauffolgenden Massenproteste wurde die Mission zur Unterstützung der Korruptionsbekämpfung MACCIH eingesetzt. Kann diese bereits Erfolge vorweisen?Prinzipiell ist die MACCIH dadurch eingeschränkt, dass sie von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) abhängt. Als der Skandal um das Gesundheitssystem aufgedeckt wurde und die Bewegung der Empörten entstand, hat die Bevölkerung daher auch eine Instanz wie die Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala gefordert, die von den Vereinten Nationen abhängig ist. Die MACCIH hat nicht die Aufgabe, selbst zu ermitteln. Sie begleitet und berät nur die honduranischen Staatsanwälte. Ihr Mandat bezieht sich nur auf Korruptionsfälle, nicht auf Menschenrechtsverletzungen. Die MACCIH existiert und wir unterstützen sie als Zivilgesellschaft. Aber bis heute haben wir keine besonderen Resultate gesehen.

Zur Person

Tirza Flores Lanza ist Menschenrechtsanwältin aus Honduras und ehemalige Richterin. Weil sie gegen den Staatsstreich im Jahr 2009 protestierte, wurde sie unrechtmäßig ihres Amtes enthoben. Mit ihr sprach bei einem Berlinbesuch Anfang Juli für »nd« Jutta Blume über die Situation in Honduras vor den Wahlen im November dieses Jahres.

Foto: Honduras Delegation

Derzeit befindet sich ein neues Strafgesetzbuch im Abstimmungsprozess. Sind bereits Teile in Kraft getreten?
Leider wurde bereits der Teil verabschiedet, der die Abtreibung erneut komplett unter Strafe stellt. Die feministischen und Frauenorganisationen hatten die Straffreiheit in drei Fällen gefordert: nach einer Vergewaltigung, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist und wenn der Fötus nach der Geburt nicht lebensfähig ist. Es waren Minimalforderungen, aber auch diese sind am Einfluss der Kirchen gescheitert.

Inwiefern könnte das Gesetzesprojekt auch der Kriminalisierung sozialer Bewegungen dienen, wie von Seiten der Zivilgesellschaft kritisiert wird?
Es ist ein antidemokratisches Strafgesetzbuch, das soziale Proteste, wie zum Beispiel die Meinungsfreiheit unter Strafe stellt. Es ist ein Rückschritt bei Delikten wie Diffamierung, Verleumdung und Beleidigung. Wenn eines dieser Delikte gegen einen staatlichen Funktionär begangen wird, dann wird dies von Amts wegen verfolgt. Statt dass sich Funktionäre der öffentlichen Kritik stellen, wird versucht, diese Kritik mundtot zu machen. Außerdem soll die »widerrechtliche Aneignung« erneut hart bestraft werden, und dieser Straftatbestand wird beispielsweise gegen KleinbäuerInnen eingesetzt, die für ihre Landrechte kämpfen.

Es wird auch der Begriff des Terrorismus verwendet
In der Tat. Es gibt ein Delikt, das Anstiftung zum Terrorismus heißt. Strafbar macht sich, wer die Bevölkerung mit irgendeiner Art von Aktion in Angst versetzt. Das kann beispielsweise perfekt auf einige Protestformen der sozialen und oppositionellen Bewegungen angewandt werden. Die Bevölkerung zu ängstigen, ist eine ausgesprochen subjektive Formulierung. Daher ist dieser Straftatbestand ziemlich besorgniserregend.

Ist das Gesetzesprojekt Teil einer autoritären Gesamttendenz der Regierung Juan Orlando Hernández?
Absolut. Es gibt bereits einige Merkmale einer Diktatur, vor allem, wenn es ihm gelingt, wiedergewählt zu werden. Die Wiederwahl wäre der Höhepunkt in einem Prozess, alles zu dominieren und alle Teile des Staatsapparats zu kontrollieren. Der Präsident steht nicht alleine da, er gehört zu einer starken Gruppe der Oligarchie und wird auch von den USA unterstützt.

Er ist dabei, sein Projekt der totalen Kontrolle umzusetzen. Es beginnt mit der Schaffung des Nationalen Rates für Sicherheit und Verteidigung, der durch die Präsidenten der drei Staatsgewalten gebildet wird, der alle wichtigen Entscheidungen trifft und vom Staatspräsidenten geleitet wird. Damit einher geht die Schaffung der Militärpolizei für die Öffentliche Ordnung, die so etwas wie der bewaffnete Arm des Präsidenten ist. Die Kontrolle setzt sich im Justizapparat fort. Der Generalstaatsanwalt wurde vom Präsidenten ernannt, ebenso der Oberste Gerichtshof.

Welche Chancen hat das Bündnis der Oppositionsparteien bei den bevorstehenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen?
Zunächst ist die Möglichkeit zur Wiederwahl des Präsidenten komplett illegal, eine Paradoxie, denn Manuel Zelaya wurde ja abgesetzt, weil er den Artikel der Verfassung ändern wollte, der die Wiederwahl verbietet. Obwohl Juan Orlando Hernández als Kandidat zugelassen ist, ist er sehr unbeliebt. Aber er hat den gesamten Staatsapparat für seine Kampagne zur Verfügung, und er nutzt Hilfsprogramme für sich aus. Wer zum Beispiel mit einem emissionsarmen Herd unterstützt werden will, muss die persönlichen Daten von zehn Personen liefern, die für die Nationale Partei stimmen wollen.

Dass sich die Oppositionsparteien LIBRE und PAC zu einem Bündnis zusammengeschlossen haben, stimmt mich optimistisch, dass dieser Mann mit seinen Verbindungen zur Oligarchie entmachtet werden kann. Dieser Teil der Oligarchie arbeitet mit transnationalen Unternehmen zusammen, die das Land ausplündern. Wenn er gewinnt, gibt es daher nur noch mehr Plünderung der Natur, mehr Angriffe auf und Morde an Umweltschützern, Menschenrechtsverteidigern und Oppositionellen. Aber ich glaube, die Opposition wird mindestens die Anzahl ihrer Sitze im Parlament halten können, so dass die Parteien der Oligarchie keine Zweidrittelmehrheit erreichen werden und damit das Parlament nicht komplett kontrollieren können.

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