Goldrausch in Budapest

Während die deutschen Schwimmer zurück bleiben, zieht Katie Ledecky an allen vorbei

  • Andreas Morbach, Budapest
  • Lesedauer: 4 Min.

Den Daueraufenthalt im Wasser ist Katie Ledecky seit vielen Jahren gewohnt, am Montagvormittag gab es für sie aber noch knapp zwei Minuten extra oben drauf. So lang musste die geschwinde Amerikanerin nach ihrem Vorlauf über 1500 Meter Freistil warten - bis auch die Algerierin Souad Nefissa Cherouati im Ziel war. Dann erst durfte Ledecky ihre Bahn verlassen und aus dem Pool steigen. Beim Däumchendrehen zwischen den Trennleinen war sie zuvor recht allein gewesen. Weil keine der Schwimmerinnen links und rechts von ihr sich traute, der vierfachen Olympiasiegerin von Rio auch nur kurz zu gratulieren.

Kaum überraschend war die Ausnahmeathletin vom Curl Burke Swim Club wieder viel schneller ins Finale gekrault als alle anderen. Die Spanierin Mireia Belmonte als Vorlaufzweite war 18 Sekunden langsamer. Für Ledecky geht es deshalb nur darum, ob sie ihr drittes WM-Gold in der Duna Arena am Dienstag mit einem Weltrekord garniert. »Mal sehen«, meinte die junge Frau aus Washington D.C., die in Budapest alle Freistilstrecken von den 200 Metern aufwärts plus beide Kraulstaffeln auf dem Programm hat. »Ich gehe einfach raus und schwimme so schnell ich kann. Aber ich mache nie wirklich Jagd auf einen Rekord.«

Die 400 Meter Freistil und den Kraulsprint mit der US-Staffel hat sie zum Auftakt gleich gewonnen, mit einem goldenen Sixpack könnte sie in einer Woche den Rückflug über den Atlantik antreten. Die Topmarke ihrer aktuell pausierenden Teamkollegin Missy Franklin, aufgestellt bei der Weltmeisterschaft 2013, wäre damit eingestellt. Ledecky jedenfalls sieht sich spätestens seit Sonntag bestens gerüstet für den möglichen Coup. Denn da glückte ihr über 400 Meter Freistil der dritte Weltmeisterschaftssieg in Folge über diese Distanz. »Yeah! Gut, dass ich diese Serie fortsetzen konnte«, jubelte sie auch noch am Morgen danach. »Das war mein schnellstes Rennen über 400 Meter bei einer Weltmeisterschaft, meine zweitschnellste Zeit überhaupt. Das ist schön - und aufregend.«

Diesen Zustand will Ledecky über die nächsten sechs Tage konservieren. Und nach dem Karriereende von Superstar Michael Phelps und Franklins Verzicht auf die Weltmeisterschaft so ihre Führungsrolle im amerikanischen Schwimmteam untermauern. 20 Jahre jung, aber schon fünffache Olympiasiegerin und elfmalige Weltmeisterin, betont sie: »Die jüngeren Athleten können immer zu mir kommen für Ratschläge.« Was nichts daran ändert, dass sie den Abschied vom Teamkollegen Phelps nach den Spielen in Rio bedauert. »Wir vermissen Michael, wir vermissen seine Präsenz im Team,« sagte Ledecky. Dafür ist jetzt sie selbst allgegenwärtig, der freie Finalabend am Montag war für sie eine echte Rarität.

Immer mehr zur Gewohnheit wird dagegen die Abstinenz deutscher Schwimmer bei Halbfinals und Endläufen. Am zweiten WM-Tag blieben Marek Ulrich über 100 Meter Rücken, Clemens Rapp und Poul Zellmann über 200 Meter Freistil sowie das 16-jährige Mannschaftsküken Celine Rieder über 1500 Meter Freistil in ihren Vorläufen stecken. Chefbundestrainer Henning Lambertz kommentierte die Resultate mit einem kurzen Seitenblick auf Ledecky, die drei Meter neben ihm stand: »Die ist vorhin einfach mal 20 Sekunden unter ihrer Bestzeit geblieben, sie kann sich das leisten.«

In dem Moment erinnerte sich Ledecky gerade an ihren Weltrekord im Vorlauf über die 30 Bahnen Kraul bei der letzten Weltmeisterschaft in Kasan - den sie im Finale nochmals unterbot. Diesmal wählte sie für die morgendliche Session den krassen Gegenentwurf. »Ich habe irgendwie versucht, den gechillten Teil auf die Spitze zu treiben. Und das hat ganz gut geklappt«, erklärte Ledecky lachend. Dabei sah sie hinunter auf ihre in dezentem Dunkelrosa lackierten Fußnägel.

Katie Ledecky ist eine Rekordmaschine ohne jeden Schnickschnack. Zudem verdankt sie ihre Erfolge im Becken keiner Gunst der Natur. Vor den Spielen in London wurde ihr Körper umfassend vermessen. Das Ergebnis: Ledeckys Hände sind im Vergleich zu vielen anderen absoluten Spitzenschwimmern eher klein, die Füße nur durchschnittlich groß. Und auch die Spannweite ihrer Arme ist keineswegs atemberaubend. Oder wie die vorolympische Analyse im Jahr 2012 ergab: Alles »auffällig unauffällig«.

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