Mobiles Kiezradio startet durch
Der WassertorMEDIEN e.V. stellte sein neues »Newsbike« in Kreuzberg vor
Die Fassaden des Plattenbaus an der Burgfriedstraße in Kreuzberg sind nass. Es regnet an diesem Dienstag gerade einmal nicht. Ein guter Moment also für eine kleine Radtour.
Das schwarze Fahrrad mit weißem Dach und zwei Plätzen auf der Rückbank fährt langsam die Straße herauf, bis es auf dem Platz zum Stehen kommt. Ralf Pierau steigt mit zwei Kindern von dem Gefährt ab und beginnt die Anwesenden zu begrüßen. Heute dreht sich im Wassertorkiez alles um die erste Fahrt des »Newsbike«, einer mobilen Radiostation des WassertorMEDIEN e.V. Doch für den Koordinator Ralf Pierau geht es um mehr als sein fahrendes Medienprojekt. »Wir sind hier in einem der ärmsten Viertel der Stadt«, beschreibt er die Situation im Kiez. Die Gebäude sind Plattenbauten aus den 1970er Jahren und die Kinderarmut und Arbeitslosigkeit in ihnen dramatisch hoch.
Das Medienprojekt bietet da einen willkommenen Ausgleich für die Schüler der Umgebung. Gerade interviewen die beiden jungen Reporter Alisia (11) und Özgür (10) zwei Gäste vom Quartiersmanagement. Auch den Kindern selbst fallen die Probleme in ihrem Umfeld auf, und fragen nach Lösungsansätzen. Die Technik betreut dabei Bashar Soradi, ein Tontechniker, der 2015 aus Syrien nach Deutschland geflohen ist und nun im Projekt aushilft.
An Bord der mobilen Radiostation sind mehrere Aufnahmegeräte und ein Mixer, der mit einem Tablet verbunden ist. »Auf dieses können wir quasi von der ganzen Welt zugreifen und Radio senden«, erklärt Ralf Pierau. Das Konzept ist also denkbar einfach: Kinder und Jugendliche gestalten mit Hilfe der mobilen Technik Medien auf einem eigenen Übertragungswagen.
Und der ist durch das Dach sogar vor Regen geschützt, was sich an diesem Tag auch bezahlt macht, denn es fängt wieder an zu nieseln. Also schnell wieder auf das Rad geschwungen und Ralf Pierau fährt mit den beiden Kindern auf der Rückbank in Richtung des MehrgenerationenHauses Wassertor (MGH), dem Sitz von WassertorMEDIEN und einer der sozialen Anlaufpunkte im Kiez. Mithilfe der Kreuzberger Firma ACTINCOMMON wurden dort die Studioräume des Vereins im MGH umgebaut. Es entstand die Möglichkeit, mit modernster Technik Seminare im Medienbereich durchzuführen. »Früher standen hier einfach nur zehn Desktop-PCs rum«, sagt Ralf Pierau. Heute sieht das ganz anders aus: An der Wand hängt ein großer Flachbildschirm, die Ausstattung ist modern designt, und in der Radioecke stehen viele Mikrofone und ein hochwertiger Mixer. Im zweiten Zimmer des Studios stehen Computer. Hier kann gearbeitet oder gechattet werden - in zehn verschiedenen Sprachen. Ralf Pierau ist von dem Ergebnis begeistert: »Das macht einfach richtig Spaß!«
Bei WassertorMEDIEN e.V. sind zwölf Ehrenamtler aktiv. Die Profis mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund kommen aus vielen Bereichen der Medienlandschaft und geben schon seit 2015 in Projekten und Kursen ihr Wissen an junge Menschen weiter. Ein Projekt ist besonders beliebt: Mittwochs senden die Redaktionsteams zwei Stunden für das Berliner Radio »Alex«.
Finanziert wurde der Umbau durch die Lotterie »PS Sparen und Gewinnen« der Berliner Sparkasse und das »Deutsche Kinderhilfswerk«. Diese haben insgesamt 10 000 Euro für den Umbau zur Verfügung gestellt. Ohne Hilfe aus dem Kiez ging es dann allerdings doch nicht. Die Einrichtung aus Holz wurde beispielsweise von einem Tischler aus Kreuzberg angefertigt. »Da drüben wohnt er«, erklärt Ralf Pierau und zeigt aus dem Fenster. Politisch möchte er das Projekt nicht einordnen. »Dieses Haus ist aber«, laut ihm, »etwas ganz besonderes«.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.