»... kann man gleich gegenüber bey denen anderen sich Raths erholen«

Sachsen-Anhalt: Eine Ausstellung in Halle widmet sich frühen Bibelübersetzungen und deren vergleichender Gegenüberstellung

  • Wolfgang F. Salzburg
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer sich in diesem Jahr mit Religion und Glauben beschäftigen wollte, kam an der Allgegenwart Martin Luthers nicht vorbei. Es wurden Luther-Linden gepflanzt, Biere mit seinem Namen in den trudelnden Biermarkt gegossen, Luther-Rosen in allen Materialien zu Schmuck gefertigt und auch als echte Pflanzen bereitgehalten. Von Kirchenfürsten bis zum Religionslehrer wurde Luther immer wieder neu erfunden. Das eigentliche Anliegen Luthers, die Kirche wahrhaft zu reformieren, trat dabei leider in den Hintergrund.

Er wollte die Kirche in die Frömmigkeit zurückführen, weg vom Ablasshandel, weg vom Glauben, dass die Tat den Menschen vor Gott gerecht mache. Dazu, das war ihm klar, musste Gottes Wort die Gläubigen erreichen: Von den Kanzeln sollte deutsch gepredigt werden. Die Frommen sollten gebildet und im Glauben fest sein. So seine These.

Als Luther nach dem Wormser Reichstag mit der Reichsacht belegt wurde, ließ ihn Friedrich der Weise entführen und zu dessen Schutz auf die Wartburg in Thüringen bringen. Dort begann er damit, das Neue Testament ins Deutsche zu übersetzen.

Doch war Luther tatsächlich der Erste, der das tat? Um unter anderem dieser Frage nachzugehen, konzipierte Dr. Marita von Cieminski in der Universitäts- und Landesbibliothek Halle in Sachsen-Anhalt eine kleine, aber feine Ausstellung.

Sensibel führt sie die Präsentation von den Anfängen deutschsprachiger Bibelübersetzungen über die sich stetig wandelnden gestalterischen Elemente und zeigt die Einflüsse auf, die auf die Übersetzungen selbst und deren inhaltliche Deutung im Verlauf der Geschichte wirkten. So war es einigen deutschen Fürsten wichtig, dass die Übersetzungen in die Mundart der Region eingefärbt waren.

Aber bereits vor Luther gab es eine Reihe von Bibelübersetzungen. So zum Beispiel die Straßburger Mentelin-Bibel. Sie wurde als erste Bibel in eine Volkssprache übersetzt und ist somit die älteste deutsche Bibel überhaupt. Ihr Erscheinen ist mit dem Jahr 1466 datiert. Durch die Verwendung einer kleinen rundgotischen Type bildete sie eine im 14. Jahrhundert im Nürnberger Raum entstandene Handschrift nach. Durch sie war es möglich, die Bibel mit nur 406 Blättern und einbändig herzustellen.

Die Hallenser Präsentation zeigt zudem eine Luther-Bibel in Plattdeutsch und die Züricher Bibel in einem Schwyzerdütsch.

Unstrittig ist, dass die Luther-Bibel die deutsche Sprache prägte wie keine andere Übersetzung. Das Bibelverständnis des Reformators sorgte für heftige Diskussionen unter den Theologen. Das förderte aber auch die weitere Beschäftigung mit den Texten sowie die drucktechnische Ausgestaltung der Bibeln selbst. Legte man früher Wert auf einen ganzseitigen Druck mit prachtvoller Bebilderung und ebensolchen Verzierungen, auch Rubrizierungen genannt, ging es wenig später darum, die Nuancen der unterschiedlichen Übersetzungen herauszustellen. Zwei- oder dreispaltiger Druck wurde bevorzugt, um die Unterschiedlichkeit der Texte nebeneinanderzustellen und durch den nun verbreiterten Rand mehr Platz für eigene Anmerkungen zu geben.

Ein beredtes Beispiel dafür ist die Biblia Pentapla, die sogenannte fünffache Bibel. Sie erschien zwischen 1710 und 1712 in drei Bänden und bediente sich einer vergleichenden Gegenüberstellung, hier eher Nebeneinanderstellung, der unterschiedlichsten Übersetzungen. Dabei wurden eine jiddische und eine niederländische Übersetzung einbezogen. Gern wurde sie auch als »die herrliche Harmonie des göttlichen Wortes, in fünffacher deutscher Verdolmetschung« bezeichnet. Im Vorwort gab Johann Otto Glüsing, kirchenkritischer protestantischer Theologe, noch eine Gebrauchsanleitung der Pentapla. Er schrieb er: »Denn (ist) im Fall von einer Übersetzung irgendwo die rechte Deutung des Grundworts übersehen worden, so kann man gleich gegenüber bey denen anderen sich Raths erholen.«

So ließe sich noch viel Interessantes über die Bibel, ihre Übersetzungen und Übersetzer aufzeigen. Doch es ist wie so oft »Ein weites Feld!«, wie Theodor Fontanes Alter Ego, der Ritterschaftsrat von Briest, zu sagen pflegte.

Die Ausstellung zu Bibelübersetzungen aus der reformatorischen und nachreformatischen Zeit ist zu sehen im Foyer des Verwaltungsgebäudes der Universitäts- und Landesbibliothek Halle, August-Bebel-Straße 13, montags bis freitags 8 bis 19 Uhr.

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