Steuerdebatte mit Beleidigungen
Der LINKE-Politiker Frank Kuschel will Grundstücke stärker besteuern - als Folge ist eine politische Schlammschlacht ausgebrochen
Wie so oft in diesen Tagen sind die Reaktionen in den sozialen Netzwerken besonders wütend; oft nur noch knapp oberhalb des zivilisierten Umgangs miteinander: Das, was Menschen - mit und ohne politische Ämter - über die jüngsten Äußerungen des Thüringer LINKE-Politikers Frank Kuschel zu sagen haben, ist vor allem beim Kurznachrichtendienst Twitter auf eine große, in der Mehrzahl ablehnende Resonanz gestoßen. Gleichzeitig ließ es sich Kuschel in den vergangenen Tagen nicht nehmen, über den gleichen medialen Kanal in einer ähnlichen Härte zurückzugiften. Alles in allem hat der Vorschlag Kuschels, Grundstücke in Zukunft höher zu besteuern als bislang, aber eine kleine steuerpolitische Debatte entfacht.
Besonders harte Kritik an dem Vorschlag Kuschels kommt von CDU-Mitgliedern. Viele von ihnen sehen sich durch die Gedankengänge des LINKEN - der sowohl der kommunalpolitische Sprecher seiner Fraktion im Thüringer Landtag als auch Mitglied des Haushaltsausschusses des Parlaments ist - in ihrer Einschätzung bestätigt, dass LINKE gerne das Geld anderer Leute ausgeben und die LINKE eine Partei der Steuererhöher ist - zulasten von Familien und der Mittelschicht. Kuschel, schrieb auf Twitter beispielsweise der Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Karl-Eckhard Hahn, habe in einem »ehrlichen Interview« zugegeben, gegen die Schaffung von Wohneigentum durch Familien zu kämpfen.
Neben expliziten CDU-Anhängern argumentierten auch FDP-Mitglieder ähnlich. Ein User, der sich selbst als freier Demokrat beschreibt, nannte die Pläne Kuschels »widerlich«. »Typisch LINKE-Position: Immer nach neuen Wegen suchen, um dem Volk das Geld aus den Taschen zu ziehen«, schrieb der Mann.
Kuschel, der sich schon deshalb in den vergangenen Jahren viele Gegner im Freistaat gemacht hat, weil er vehement für eine Gebietsreform in Thüringen eintritt, hatte vorgeschlagen, den Kauf vor allem von Grundstücken demnächst genauso zu besteuern wie den Kauf von Autos, Waschmaschinen oder Computern - und nicht mehr wie bislang steuerlich zu begünstigen. Aus seiner Sicht sei es falsch, dass beim Kauf von Grundstücken oder fertigen Häusern auf Grundstücken in Thüringen derzeit nur 6,5 Prozent Grunderwerbsteuer anfalle, hatte er gesagt. Aus Gründen der Steuergerechtigkeit halte er es staatlicherseits für sinnvoller, bei solchen Geschäften gar keine Grunderwerbssteuer, dafür aber 19 Prozent Umsatzsteuer zu nehmen. Was letztlich dazu führen würde, dass Privathaushalte noch höhere Kosten bei der Schaffung von Wohneigentum zu schultern hätten als bislang schon.
Besonders intensiv hatten sich Kuschel und der Ilmenauer CDU-Landtagsabgeordnete Andreas Bühl im Internet gegenseitig beharkt. Bühl hatte Kuschel dabei zunächst ebenfalls vorgeworfen, eine familienfeindliche Haltung zu offenbaren - und Kuschel später dafür kritisiert, dieser trete in der Twitter-Debatte »gewohnt beleidigend« auf. Was Kuschel mit der Aussage konterte, Bühl gebe doch das Niveau vor. Kuschel hatte Bühl davor vorgeworfen, auf »Stammtischniveau« zu argumentieren - und geschrieben, er frage sich, wann der ebenfalls aus Ilmenau stammende CDU-Bundestagsabgeordnete Tankred Schipanski mit einer »Entblödung« in die Debatte einsteigen werde. An Hahn gewandt schrieb Kuschel später noch, dieser habe lange Zeit als »konservativer Intellektueller« gegolten. Und fügte hinzu: »War wohl Fehleinschätzung.«
Inhaltlich verteidigte Kuschel seine Idee immer wieder mit dem Hinweis darauf, es gehe ihm darum, Steuergerechtigkeit in Deutschland herzustellen. In einem späteren Tweet rechnete er vor, dass das derzeitige Steuersystem doch ungerecht sei, wenn eine alleinerziehende Mutter für Windeln 19 Prozent Umsatzsteuer zahlen müsse, ein Reicher sich ein Reitpferd zum Umsatzsteuersatz von sieben Prozent kaufen könne und beim Kauf eines Aktienpaketes im Wert von 30 Millionen Euro gar keine Umsatzsteuer anfalle. Auch hierauf reagierten CDU-Politiker im Netz, indem sie Kuschel und der LINKEN vorwarfen, eine Politik gegen Familien zu machen. »Die Antwort kann nicht sein, dass alle mehr bezahlen, sondern dass Familien entlastet werden!«, schrieb zum Beispiel der ehemalige Thüringer Generationenbeauftragte Michael Panse, ebenfalls ein CDU-Mitglied.
Dass diese Diskussion, wenn sie nicht in sozialen Netzwerken, sondern auf altbekannten Wegen geführt wird, auch ganz ohne persönliche Beschimpfungen auskommen kann, ohne dass darunter der Streit um die Sache leiden muss, das indes zeigte ausgerechnet eine Pressemitteilung Bühls. Die hatte der Abgeordnete fast parallel zum verbalen Schlagabtausch im Netz veröffentlicht. Ganz ohne persönliche Beleidigungen forderte er darin Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow auf, seinen Parteifreund Kuschel »in die Schranken zu weisen und klarzumachen, dass es sich lediglich um eine irrige Einzelmeinung und kein tatsächlich angedachten Vorhaben der Landesregierung handelt«.
Das allerdings hatte Kuschel schon lange selbst eingeräumt, als Bühl seine Pressemitteilung veröffentlichte.
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