Ein Ministerium - drei Chefs

Thüringen: Die Sommerferien gestalten sich in diesem Jahr zu einer Hängepartie für die Mitarbeiter des Bildungsressorts

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer ist eigentlich gerade Thüringer Bildungsministerin beziehungsweise Thüringer Bildungsminister? Tatsächlich ist durch den angekündigten Wechsel an der Spitze des Bildungsressorts eine unübersichtliche Situation entstanden: Inzwischen ist zwar klar, dass die bisherige Bildungsministerin Birgit Klaubert aus dem Dienst scheidet. Da sie jedoch erst kurz vor der Sommerpause um ihre Entlassung bat, bestand bislang noch keine Gelegenheit, ihren Nachfolger zu vereidigen. Das aber muss sein, damit der neue Mann auch formal Thüringer Bildungsminister ist.

Als Klauberts Nachfolger hat Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow Anfang Juli den ehemaligen Bau- und Arbeitsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter, vorgestellt. Alle drei - Klaubert, Ramelow und Holter - sind Mitglieder der LINKEN.

Rein formal steht noch immer Klaubert an der Spitze des Bildungsministeriums. »Das Amtsverhältnis der Ministerin endet mit Aushändigung der Entlassungsurkunde«, sagt ein Sprecher der rot-rot-grünen Landesregierung. »Hierfür vorgesehen ist der Tag vor der Ernennung des Amtsnachfolgers.« Das meint auch: Klaubert wird noch immer als Thüringer Bildungsministerin bezahlt - auch wenn sie derzeit keine Amtsgeschäfte wahrnimmt. »In Übereinstimmung mit dem Thüringer Ministergesetz erhält Frau Klaubert bis zum Schluss des Kalendermonats, in dem ihr Amtsverhältnis endet, Amtsbezüge«, sagte der Regierungssprecher. Weil Holter frühesten in der nächsten Sitzung des Landtages Mitte August vereidigt werden kann, bekommt Klaubert also noch bis Ende August ihr Gehalt als Bildungsministerin. Wie bei anderen Menschen, die herausgehobene Positionen im Staatsdienst oder in der Wirtschaft innehaben und diese dann räumen müssen, will man Klaubert offenbar ersparen, für ihre verbleibenden, formalen Chef-Wochen an ihren Arbeitsplatz zurückkehren zu müssen. Wenn man so will, ist sie also zwar formal noch Bildungsministerin, tatsächlich aber freigestellt.

Nach einer schweren Krankheit hatte Klaubert in einem Schreiben vom 1. Juli an Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow um ihre Entlassung als Ministerin gebeten. Dieser Schritt war seit Monaten erwartet worden und erfolgte wohl nicht völlig freiwillig.

Helmut Holter dagegen kann - obwohl noch nicht im Amt - derzeit als Thüringens informeller Bildungsminister gelten. Auch dem Ministerium ist zu hören, der LINKE-Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern habe sich bereits zu Besuchen in der Behörde angekündigt - als vorgezogene Arbeitsrundgänge durch das Haus quasi. Egal, was er derzeit formal im Ministerium sei, sagen Mitarbeiter, er werde freilich schon als neuer Chef betrachtet.

Tatsächlich jedoch führt ein Mann weiterhin das Bildungsministerium in Erfurt, der es schon während Klauberts krankheitsbedingtem Ausfall geführt hat: der Chef der Thüringer Staatskanzlei, Benjamin-Immanuel Hoff, auch ein LINKER. Er gilt als der Strippenzieher innerhalb der rot-rot-grünen Koalition im Freistaat und hat in mehreren Krisen in Klauberts Haus interveniert. Und er wird wohl auch noch mindestens ein paar Wochen nach der formalen Geschäftsübernahme durch Holter ein wichtiges Wort dort mitzureden haben.

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