Schräge Führungsriege
Die fragwürdige Verbandsspitze des Wassersports hat auch Auswirkungen auf die Schwimmer - die aber tun wenig dagegen
Es gibt Menschen in Budapest, die das hochemotionale Wasserballfinale zwischen Ungarn und Kroatien am Samstagabend vorab als das größte Sportereignis im Land der Magyaren seit 50 Jahren bezeichneten. Die komplette nationale Ekstase fiel nach der Niederlage der WM-Gastgeber zwar aus, Spaß hatten die Leute trotzdem. Beim Public Viewing feierten sie ihr unterlegenes Team und zogen anschließend in Scharen an die südliche Spitze der Margareteninsel. Mit freiem Blick auf das hell beleuchtete Parlament, die Donaubrücken und den Burgberg.
Es ist der alte Glanz der k. u. k. Doppelmonarchie - auch deshalb dürfte sich die Führung des Schwimm-Weltverbandes in Budapest pudelwohl gefühlt haben. Die ungarische Metropole verstrahlt in vielen Ecken ein marodes Flair, und auch bei den Herren des Dachverbands Fina bröckelt der Putz gewaltig. Ihr gerade unter schrägen Umständen wiedergewählter Präsident Julio Cesar Maglione wird im November 82, Generalsekretär Cornel Marculescu ist mit seinen 76 Jahren ebenfalls nicht mehr der Jüngste. In der generell etwas lichtscheuen Sportfunktionärswelt ist die Fina einer der verschwiegensten Zirkel. Das genaue Stimmergebnis bei Magliones Wiederwahl vor neun Tagen rückte Marculescu zum Beispiel erst auf Nachfrage widerwillig heraus.
Für visionäre Vorstellungen von der Zukunft des Schwimmsports ist der greise Uruguayer Maglione nicht bekannt. Sein Spezialgebiet ist die Bewahrung des Bestehenden. Das ursprüngliche Versprechen, für das Führungspersonal in seinem Laden eine Altersbeschränkung an der oberen Grenze einzuführen, hat er inzwischen wieder gekippt. Und mit Husain al-Musallam längst einen besonders zwielichtigen Kantonisten als seinen Thronfolger in Stellung gebracht.
Auch im obersten Gremium der Wassersportler wäscht eine Hand die andere. Deswegen kümmerte es in der Fina-Spitze auch niemanden, dass der kuwaitische Schwimmverband in einer Protestnote forderte, Landsmann al-Musallam, der sich gerade mit Korruptionsvorwürfen herumschlägt, nicht als Ersten Vizepräsidenten des Weltverbandes zu bestätigen. Den Schwimmern selbst dämmert immer mehr, von welchen Herrschaften sie da regiert werden. Auf Initiative der geschäftstüchtigen Ungarin Katinka Hosszu, die damit vor allem eigene Interessen verfolgt, schlossen sich drei Dutzend von ihnen zusammen, um mehr Mitspracherecht einzufordern. Unter ihnen der Deutsche Marco Koch.
Pro forma hoben die alten Männer in der Führungsriege gleich mal den Daumen. Dann starteten die Beckenwettbewerbe, und Brustschwimmer Koch interessierte nicht die Bohne, was die Fina da auf ihrem Kongress gerade so getrieben hatte. Unter der Woche schwammen frühere Dopingsünder wie der Chinese Sun Yang oder die Russin Yulia Efimova wieder zu WM-Gold. Im Namen eines Weltverbandes, der Dopingbekämpfung als lästig empfindet - und dessen schräges Spitzenduo Maglione und al-Musallam unter anderem von Wladimir Salnikow unterstützt wird: Dem früheren Freistil-Olympiasieger, der 2009 mithalf, positive Dopingproben russischer Schwimmer unter den Teppich zu kehren.
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