Warum die Sozialausgaben steigen
In Deutschland sind die Sozialausgaben im vergangenen Jahr um 3,7 Prozent gestiegen. Woran liegt das? An der Niedriglohn-Politik, wie der Sozialverband Deutschland vermutet?
Im vorigen Jahr haben Staat und Sozialversicherungen insgesamt 918 Milliarden Euro für Sozialleistungen wie Renten, Arbeitslosengeld oder die Behandlung kranker Menschen ausgegeben. Das waren 33 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Das geht aus dem Sozialbericht hervor, den die Bundesregierung jetzt vorgelegt hat.
Der Anstieg klingt beachtlich. Setzt man ihn allerdings mit der Wirtschaftsleistung ins Verhältnis, relativieren sich die Zahlen: 2015 betrug der Anteil der Sozialleistungen am Bruttoinlandsprodukt 29,2 Prozent, ein Jahr später waren es 29,3 Prozent.
Der Anstieg der Sozialausgaben um 33 Milliarden Euro hat vor allem zwei Gründe:
Erstens überwies die gesetzliche Rentenversicherung im vorigen Jahr rund zehn Milliarden Euro mehr an Rentner. Dies wiederum liegt hauptsächlich daran, dass im vorigen Jahr die Renten relativ stark gestiegen sind, außerdem gab es etwas mehr Menschen im Ruhestand.
Zweitens sind die Ausgaben für die Behandlung von Kranken, für die Pflege von alten Menschen und für Invaliditätsrenten um 14,3 Milliarden Euro gestiegen.
Der Staat hat auch für andere Zwecke mehr Geld aufgewendet, beispielsweise, um Familien, behinderte Menschen und Geflüchtete zu unterstützen. Hier geht es aber um viel geringere Beträge als bei den Renten und der Behandlung Kranker.
Der Sozialverband Deutschland hebt in seiner Reaktion auf den Sozialbericht indes auf Niedriglöhne ab: »Die Entwicklung der Sozialausgaben ist auch eine Folge der Niedriglohnpolitik«, heißt es in einer Erklärung des Verbands. »Denn immer mehr Menschen in Deutschland sind arm, obwohl sie arbeiten.«
Richtig ist, dass der Anteil Beschäftigten, die armutsgefährdet sind, 2015 leicht gestiegen ist, und zwar auf 7,8 Prozent. Im Vorjahr war die Quote mit 7,6 Prozent etwas geringer. Neuere Daten hat das Statistische Bundesamt noch nicht veröffentlicht.
Allerdings sind längst nicht alle diese Menschen sogenannte Aufstocker, also Erwerbstätige, die zusätzlich zu ihrem Lohn Hartz IV erhalten. Die Zahl der Aufstocker ist vielmehr in den vergangenen Jahren gesunken. Auch die staatlichen Hilfen für diese Menschen gingen nach Angaben der Bundesagentur zuletzt leicht zurück: von 10,8 Milliarden Euro 2014 auf 10,5 Milliarden ein Jahr später. Auch hier gibt es noch keine aktuelleren Daten.
Insgesamt gab es zuletzt laut Sozialbericht rund 1,19 Millionen erwerbstätige Menschen, deren Lohn so niedrig war, dass sie zusätzlich Hartz IV erhielten. 2012 waren es noch 1,3 Millionen.
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