Fahrräder auf der Überholspur

Referentenentwurf für Mobilitätsgesetz vorgestellt - Initiativen und Verbände zufrieden

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Mit dem neuen Mobilitätsgesetz soll es keine Schwerverletzten und Toten im Straßenverkehr mehr geben«, sagt Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) am Freitagvormittag bei der Vorstellung des Referentenentwurfs. Besonders im Fokus steht das lange erwartete Radgesetz. Nach zum Teil ätzender Kritik über den Zeitplan und die Beteiligung zeigen sich die Macher des Volksentscheides Fahrrad sehr zufrieden. »80 bis 90 Prozent unserer Forderungen finden sich im Referentenentwurf des Radgesetzes wieder«, sagt Mitinitiator Heinrich Strößenreuther direkt nach dessen Vorstellung. Auch der Umweltverband BUND und der Fahrgastverband IGEB sind prinzipiell einverstanden.

»Inhaltlich und vom Prozess her haben wir Neuland betreten«, sagt die Verkehrssenatorin. Es sei deutschlandweit das erste übergreifende Gesetz für alle Verkehrsträger. »Bis 2050 soll der Verkehr in Berlin klimaneutral sein.« Rot-Rot-Grün kann also zumindest einen Teilerfolg auf dem Weg zur Verkehrswende vermelden.

»Die Umgestaltung gefährlicher Knotenpunkte und die sichere Gestaltung von Radverkehrsanlagen« nennt Günther die Schwerpunkte des Gesetzes. Zudem liege der Fokus auf Radschnellwegen und sicheren Abstellmöglichkeiten. Der vorliegende Referentenentwurf sei das »Startsignal für weitere Abstimmungen mit Verbänden, Senatsverwaltungen und Bezirken«. Anschließend gehe der Entwurf in das reguläre Gesetzgebungsverfahren im Abgeordnetenhaus. »Wünschenswert wäre eine Verabschiedung noch in diesem Jahr, aber das liegt nicht mehr in meiner Hand«, sagt Günther zum Zeitplan. Die Erarbeitung sei »superschnell« gegangen, entgegnet sie Kritikern. »Mitte Mai haben die Juristen angefangen, das Gesetz zu formulieren, und nun liegt es vor«, sagt Verkehrs-Staatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne). Und das, obwohl es nach Aufteilung der einstigen Mammutverwaltung für Stadtentwicklung, Verkehr und Umwelt »kein funktionierendes Haus« gegeben habe.

Auch wenn das Gesetz noch nicht verabschiedet ist, laufen die Vorbereitungen zur Umsetzung auf Hochtouren. Die neue Gesellschaft »Infra Velo«, die für bezirksübergreifende Radwege und Abstellanlagen zuständig sein soll, ist nach Kirchners Angaben bereits gegründet, und es sei auch schon Personal eingestellt worden. »Die Mittel, die ab nächstem Jahr im Haushalt zur Verfügung stehen, müssen ja auch ausgegeben werden«, so der Staatssekretär.

Auch der Gesetzesteil, der sich mit dem Nahverkehr beschäftigt, verdient Beachtung. So widmet sich ein Paragraf explizit dem Bestandserhalt der Schieneninfrastruktur. In den Jahren des Sparwahns wurde dies vernachlässigt. Die Verkehrsverwaltung möchte es so direkt nicht sagen, aber die Intention ist, dass zunächst das Bestandsnetz der U-Bahn saniert werden solle, bevor neue Strecken in Angriff genommen werden.

Sowohl für Bus und Tram als auch für den Radverkehr sollen sogenannte Vorrangnetze entwickelt werden, bei denen den jeweiligen Verkehrsträgern Priorität eingeräumt wird. Ein Konfliktlösungsmechanismus soll greifen, wenn der Straßenraum nicht für alle reicht. Klare Prioritäten seien »besser als suboptimale Lösungen, weil man versucht, alle gleichmäßig zu berücksichtigen«, sagt Imke Steinmeyer, Leiterin der Abteilung Grundsatzangelegenheiten der Verkehrsverwaltung.

Zum Gesetzespaket gehören auch Änderungen im Straßengesetz, mit denen die Verkehrsverwaltung die Planungszuständigkeit für sämtliche Berliner Hauptstraßen an sich zieht. Bisher sind meist die Bezirke zuständig.

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