Hoffen auf den Brexit

Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU könnten sich die Wirtschaftschancen der Schweiz verbessern

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Mai stimmten die Schweizer bei einer Volksabstimmung mit 58 Prozent für den Ausstieg aus der Atomenergie. Zur Finanzierung des Umbaus der Stromversorgung soll der Ökozuschlag von bisher 1,5 auf 2,3 Rappen (rund zwei Cent) erhöht werden. Ein Teil davon soll Großwasserkraftwerken zugute kommen, denn seit der Teilöffnung des Schweizer Strommarktes ächzen die Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW unter den billigen Großhandelspreisen in Deutschland. Industrieunternehmen und Großkunden kaufen darum den preiswerten Kohle- und Ökostrom beim nördlichen Nachbarn ein. Die Energieversorgung ist aber nur ein Beispiel für die enge Verflechtung der eidgenössischen Wirtschaft mit der Eurozone. So ist die kleine Schweiz hinter den USA und China mit 264 Milliarden Euro der wichtigste Handelspartner der EU.

Dabei ist die Schweiz noch stärker exportabhängig als Deutschland, dem größten Handelspartner der schweizerischen Wirtschaft. Ex- und Importe stehen für etwa 80 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) und der Leistungsbilanzüberschuss liegt mit rund neun Prozent noch um einen Prozentpunkt höher als hierzulande. Auch die Eidgenossen kaufen zu wenige Produkte im Ausland ein, kritisieren der Internationaler Währungsfonds (IWF) und linke Ökonomen. Exportschlager sind neben Arzneimitteln Industriechemikalien und Maschinen.

Gleichzeitig dient die Alpenrepublik vielen Bundesbürgern als Steuerparadies. Allerdings hatte im Februar eine klare Mehrheit gegen eine Unternehmensteuerreform gestimmt, die die Steuerschraube weiter gelockert hätte. Als Fluchtburg für Schwarzgeld taugt die Alpenrepublik nur noch bedingt, seit die Behörden den Informationsaustausch von Bankdaten ab 2018 vorbereiten. Die Regierung in Bern halte sich an die »globalen Standards«, lobt EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. Ministeuern wie in Irland bleiben aber erlaubt.

Viele deutsche Bundesländer sind auf die Einnahmen aus der Alpenrepublik angewiesen: So ist die Schweiz in Brandenburg laut der Wirtschaftsförderungsgesellschaft WFBB nach den USA der zweitwichtigste internationale Investor. Bundesweit beschäftigen 1900 Schweizer Firmen rund 400 000 Menschen. Und immer mehr Unternehmen suchen ihr Heil im nördlichen Nachbarland. 2016 legten die Direktinvestitionen um ein Viertel auf über acht Milliarden Euro zu.

Ein Grund dafür ist der »Frankenschock«: 2015 hatte die Schweizer Zentralbank den Mindestkurs auf 1,20 Franken je Euro erhöht. Dadurch verteuerten sich die Ausfuhren. Eine »Zäsur«, schreibt die Wirtschaftsberatung Borisat in ihrer »Wirtschaftsstudie Nordwestschweiz«. Die Rahmenbedingungen hätten sich »deutlich verschlechtert«. In Deutschland locken niedrige Arbeitskosten, freie Gewerbeflächen und Fachkräfte.

In den Grenzregionen Baden-Württembergs gilt das Verhältnis dennoch als angespannt. Deutschland ist für Schweizer ein Einkaufswunderland. Sie geben Milliarden aus. Und »sammeln uns die Pilze weg«, klagt ein Freiburger. Die Folge offener Grenzen und großer Preisgefälle sind beiderseits der Grenze zu spüren: Südlich des Rheins leeren sich die Innenstädte, weil Schlachter, Bäcker und Läden schließen - nördlich laufen die Leute weg. So können Pflegeheime in Baden nicht mehr alle Betten belegen, weil die ausgelernten Fachkräfte abwandern. Jenseits des Rheins zahlen die Heime doppelt so hohe Löhne.

Seit die Briten im Juni 2016 beschlossen, aus der EU auszuscheren, hat die Schweiz im Standortwettbewerb wieder bessere Karten. Verbände und Regierung stellen ein »erhöhtes Interesse« von Firmen aus Großbritannien fest, die sich in der Schweiz ansiedeln wollen.

Vor allem der internationale Finanzplatz Zürich dürfte davon profitieren, dass Banken, Versicherer und Finanzdienstleister um den freien Zugang zum EU-Binnenmarkt fürchten. Durch ein Bündel an Verträgen mit der EU und einzelnen EU-Staaten haben sich die geschäftstüchtigen Eidgenossen einen nahezu schrankenlosen Zugang zu den EU-Märkten gesichert. Sorgen bereitet den Kaufleuten allerdings die wohl 2018 bevorstehende Volksabstimmung der »Konzernverantwortungsinitiative«: Konzerne sollen danach Menschenrechte und Umweltschutz auch bei ihren Tochtergesellschaften im Ausland durchsetzen.

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