Achtung, heißer Wahlkampf

Nun greift die CDU-Chefin ein, aber sie kann es halten wie im Urlaub - in gewohnt entspannter Manier

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

In dieser Woche begann die sogenannte heiße Phase des Wahlkampf zur Bundestagswahl. Man merkt es an den Temperaturen, die den Kandidaten zu schaffen machen, wenn sie ihren Wählern auf Marktplätzen oder an Parteiständen gegenübertreten. Auf beiden Seiten ist Schwitzen angesagt. Sonst ist alles wie immer. Auch die Chancen, die den Kandidaten eingeräumt werden, sind unverändert.

Die Zusammenfassung lautet meist: Bundeskanzlerin Angela Merkel tut angeblich nichts und thront in den Umfragen trotzdem außerhalb der Reichweite ihres Herausforderers von der SPD, Martin Schulz. Der wiederum strampelt sich ab, aber die Wählerschaft honoriert es nicht. Doch ganz stimmt die Behauptung vom Nichtstun der Kanzlerin nicht. 50 Wahlkampfauftritte sind angekündigt. Freilich, Martin Schulz bringt es auf zehn mehr. Auch das Wahlkampfbudget der SPD ist mit 24 Millionen Euro um vier Millionen praller gefüllt als das der CDU.

Nach ihrem Urlaub in Südtirol, von dem vermeldet wurde, dass selbst die Wanderbekleidung der Kanzlerin die gewohnte war, absolvierte Angela Merkel ihre ersten Kundgebungstermine in Dortmund und Gelnhausen. In dem hessischen Ort hat Peter Tauber seinen Wahlkreis. Mit dem Auftakt habe die CDU-Vorsitzende den CDU-Generalsekretär versöhnen wollen, hieß es in Medienberichten. Denn Merkel hatte nicht ihn, sondern Kanzleramtsminister Peter Altmaier zum Wahlkampfchef gemacht.

Heißsporn Tauber sei ihr zu unberechenbar, deutete die Presse, was von CDU-Seite natürlich keine Bestätigung fand. Altmaier wird von Merkel zuweilen eingesetzt, wenn es um viel geht. So hatte der Kanzleramtschef die Koordination der Flüchtlingspolitik übernommen, als die Zahl der Ankömmlinge in die Höhe schoss und die Kanzlerin wegen vermeintlich zu großzügiger Aufnahme in die Kritik geriet.

Am Dienstag waren für die Kanzlerin Wahlkampfauftritte in Bremen und Cuxhaven reserviert, wer ihre Rede in Gelnhausen anhörte, dürfte die Botschaften bereits kennen: Es gehe um ein »Deutschland, in dem wir gut und gerne leben«, um den Übergang in eine »neue Zeit«, bei dem die Menschen ihren Arbeitsplatz behalten», um die Partei, die diesen Übergang organisiert - die CDU natürlich, die «Partei von Maß und Mitte». Wer die CDU wählt, wählt Merkel. Und wer Merkel wählt, bekommt gut und gerne Maß und Mitte. Den Leuten ist egal, dass sie nichts erfahren, wenn Merkel redet, sie sind mit ihr bisher in wahlentscheidender Zahl zufrieden.

Auch wenn sie wie in Gelnhausen erzählt, dass Deutschland den «modernen, sauberen» Diesel brauche. Auf diesen zu hoffen ist etwa das Gleiche, wie auf den vegetarischen Wolf zu hoffen, aber es gibt zu viele dieselfahrende Autobesitzer in Deutschland, die beruhigt werden müssen, weil ihre Wahlentscheidung womöglich betroffen wäre. Anders als Martin Schulz bemüht sich Merkel gar nicht, den Leuten vorzumachen, sie wolle sie von einem konkreten Regierungsprogramm überzeugen.

Sie will die Leute nicht mit der Vermögensteuer «verrückt machen», wie sie in Gelnhausen wenig überraschend bekannte, die Erbschaftsteuer soll bleiben, wie sie ist, die Wirtschaft soll in Ruhe wirtschaften. Will Martin Schulz eine Vermögensteuer? Nein. Die ist auch im SPD-Wahlprogramm nicht vorgesehen. Einige Nachbesserungen zur Erbschaftsteuer aber sehen die Sozialdemokraten vor. So viel Detailinteresse aber bringen die wenigsten Wähler auf. Gewählt wird stattdessen ein Eindruck.

Nach diesem Eindruck steht Merkel für die Regierungspolitik seit zwölf Jahren, die SPD aber nicht - auch wenn sie acht Jahre davon mitregiert hat. Die SPD versucht diese Zwitterrolle auszunutzen, indem sie Erfolge der Regierungspolitik wie die Einführung des Mindestlohns für sich reklamiert, die Kanzlerin aber für die offenen Probleme des Landes zuständig spricht.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte dieser Tage in einem Interview des «Tagesspiegel», die Schonzeit für Merkel sei nun vorbei. Seit Jahren ruhe sie sich auf den wirtschaftlichen Erfolgen aus, die auf den Reformen von Bundeskanzler Gerhard Schröder beruhten. Doch der Zusammenhang von Konjunktur und Hartz-Reformen ist umstritten. Und die Rentenangleichung von Ost und West, die die SPD zu ihren Erfolgen zählt, bringt längst keine Angleichung der Lebensverhältnisse von Rentnern in Ost und West.

So bleibt auch der Streit um die künftigen Rüstungsausgaben ein Scheingefecht, wenn Merkel sich bei einer Veranstaltung des Deutschlandfunks und des Fernsehsenders Phoenix zu dem von der NATO beschlossenen Ziel bekannte, die Rüstungsausgaben mittelfristig auf zwei Prozent zu erhöhen. Die SPD erklärt, dies halte sie für eine schwer verfehlte Zielstellung - die Zielvorgabe von zwei Prozent war aber unter Zustimmung der SPD in der Bundesregierung gebilligt worden.

Am Dienstagabend wollte Martin Schulz die Pläne seiner Partei zur Integrationspolitik vorstellen. In ihrem Wahlprogramm plant die SPD ein Einwanderungsgesetz. Kritiker sprechen von einem konservativen, auf Nachfrage der deutschen Wirtschaft orientierten Plan. Das kann gut und gerne als Maß und Mitte gelten.

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