Barcelona: Tote und Verletzte bei Terroranschlag
Lieferwagen raste in Menschenmenge: Behörden bestätigten mindestens 12 Opfer / Über 100 Menschen verletzt / Verdächtiger festgenommen
Barcelona. Bei einem mutmaßlich islamistischen Terroranschlag mit einem Lieferwagen sind auf Barcelonas berühmter Flaniermeile Las Ramblas mindestens zwölf Menschen getötet worden. Etwa 100 weitere Menschen wurden am Donnerstag nach Angaben der katalanischen Regionalregierung verletzt, nachdem ein Lieferwagen mit hohem Tempo in eine Menschenmenge gerast war. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag laut ihrem Sprachrohr Amak für sich.
Zwei Verdächtige wurden noch am Abend von der spanischen Polizei verhaftet. Laut dem katalanischen Fernsehsender TV3 ist ein Verdächtiger tot - dies wurde zunächst nicht bestätigt. Laut einer Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin gab es zunächst keine Erkenntnisse über mögliche deutsche Opfer. Es war der fünfte Anschlag mit einem Fahrzeug in einer europäischen Metropole seit Mitte 2016.
Über die genaue Zahl der Opfer herrschte zunächst Unklarheit. Der Innenminister der Regionalregierung, Joaquim Forn, sprach von mindestens 13 Toten, der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont von mindestens zwölf Opfern.
»Die Demokratie wird den Terrorismus und die Barbarei überall dort besiegen, wo diese stattfinden«, sagte Puigdemont. »Katalonien ist immer ein Land des Friedens und der Aufnahme gewesen, und wir werden uns nicht kleinkriegen lassen«, ergänzte er.
Las Ramblas zählt zu den geschäftigsten Straßen in der katalanischen Metropole. In der Regel wird der Boulevard mit seinen vielen Geschäften und Restaurants bis spät in die Nacht von Touristen besucht, viele Straßenkünstler treten dort auf.
Dschihadistenmiliz IS bekennt sich
Nach Angaben des IS-Sprachrohrs Amak waren mehrere Täter an dem Anschlag beteiligt. Sie seien »Soldaten des Islamischen Staates«, meldete Amak unter Berufung auf nicht näher genannte Sicherheitsquellen. Sie hätten mit der Operation auf Aufrufe reagiert, die Staaten der »internationalen Koalition« anzugreifen. Die Echtheit der Nachricht ließ sich zunächst nicht verifizieren. Sie wurde aber über die üblichen Kanäle von Amak im Internet verbreitet.
Der Erklärung von Amak waren Lobpreisungen von IS-Anhängern in sozialen Netzwerken vorausgegangen, wie die auf dschihadistische Propaganda spezialisierte Site Intelligence Group berichtete. Dies sei möglicherweise ein Hinweis darauf, dass die Gruppe vorab von dem Anschlagsplan gewusst habe.
Bei einem der Festgenommenen handelt es sich nach Medienberichten um einen Mann, der in einer Stadt nördlich von Barcelona gemeldet ist. Er komme aus Marseille und habe nordafrikanische Wurzeln, berichteten die katalanische Zeitung »La Vanguardia« und das staatliche Fernsehen TVE unter Berufung auf Polizeikreise. Es werde nach zwei weiteren Verdächtigen gefahndet. Eine Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.
Fotos aus Barcelona zeigten Leichen am Straßenrand. Augenzeugen berichteten, das Fahrzeug sei mit hohem Tempo auf die Promenade im Zentrum der Stadt gefahren. Ein Tourist sagte, das Fahrzeug sei Zickzack gefahren, »um ein Maximum an Fußgängern zu erwischen«. Berichten zufolge liefen Menschen panisch über die Straßen.
Viele Menschen hätten geschrien und sich in Hauseingängen wie Geschäften in Sicherheit gebracht, berichteten Augenzeugen. Ein deutscher Tourist sagte, es sei wie in einer »Kriegszone« gewesen. »Polizisten mit Maschinengewehren und Gewehren im Anschlag kamen in der Straße auf mich zu gerannt.« Der Verkehr im Zentrum der Stadt sei zusammengebrochen. Die Geschäfte auf der Flaniermeile hätten geschlossen und ihre Fensterläden heruntergelassen.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot auf der berühmten Flaniermeile vor Ort und forderte die Bevölkerung auf, die Region zu meiden. Die betroffene Gegend wurde weiträumig abgesperrt. Zahlreiche Krankenwagen waren im Einsatz. Naheliegende U-Bahn-Stationen und andere öffentliche Verkehrsmittel seien geschlossen worden, hieß es.
Augenzeugen sprachen im staatlichen spanischen Fernsehen von einem Einzeltäter, der Anfang 20 gewesen sein soll. Der weiße Lieferwagen sei ungebremst mit etwa 80 Stundenkilometern in die Menge gerast. Der Fahrer des Lieferwagens soll ein Mann von etwa 1,70 Meter Größe gewesen sein und ein weißes Hemd mit blauen Streifen getragen haben, wie die Zeitung »El Periódico de Catalunya« berichtete. Ob es sich bei einem der von der Polizei festgenommenen Männern um den Fahrer des Lieferwagens gehandelt habe, blieb zunächst offen.
Fahrzeug durchbricht Polizeiabsperrung
Ein weiterer Vorfall ereignete sich unterdessen bei einer Polizeikontrolle in Barcelona: »Im Zuge der Abriegelung der Stadt Barcelona ist ein Auto gewaltsam durch eine Polizeikontrolle gefahren und hat zwei Beamte umgefahren«, sagte eine Polizeisprecherin. Sie schwebten aber nicht in Lebensgefahr.
Es seien Schüsse abgefeuert worden, um das Auto zu stoppen. Das Fahrzeug wurde laut Polizei später in Sant Just Desvern nahe Barcelona gestoppt. Unklar war, ob der Fahrer noch im Auto war. Ebenfalls offen war, ob ein Zusammenhang zu dem Anschlag auf Las Ramblas bestand.
Politiker weltweit reagierten geschockt und betroffen. Vertreter der Bundesregierung zeigte sich erschüttert. »In tiefer Trauer sind wir bei den Opfern des widerwärtigen Anschlags in Barcelona«, schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter. Man stehe in Solidarität und Freundschaft an der Seite der Spanier.
»Bin tief erschüttert über Nachrichten aus Barcelona. Unser Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Freunden und Angehörigen«, teilte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) mit. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sprach von einem »feigen Anschlag auf unsere Werte«. »Erneut hat der Terror seine hässliche Fratze gezeigt«, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nach Angaben seines Ministeriums.
US-Präsident Donald Trump und Außenminister Rex Tillerson boten Spanien die Hilfe der USA an. Auch EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani bot »volle Unterstützung« an. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach den Opfern des »tragischen Anschlags« sein Mitgefühl aus. Die britische Premierministerin Theresa May schrieb auf Twitter, Großbritannien sei im Kampf gegen den Terror an der Seite Spaniens.
Russlands Präsident Wladimir Putin schrieb in einer Beileidsbekundung, sein Land verurteile das »grausame und zynische Verbrechen an Zivilisten«. Er forderte die Welt auf, sich in einem »kompromisslosen Kampf gegen den Terror« zu vereinen. Agenturen/nd
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