G20-Akkreditierungen: Netzwerk sieht »Abgründe«

Journalistenverbände kritisieren »Verachtung rechtsstaatlicher Prinzipien« durch Behörden / Ex-Verfassungsrichter zeigt sich über Speicherpraxis »beunruhigt«

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Berlin. Im Fall der umstrittenen Entziehung von Akkreditierungen für Medienvertreter beim G20-Gipfel in Hamburg haben Journalistenverbände erneut scharfe Kritik geäußert. Das Netzwerk Recherche sprach von einem »Versagen des Bundespresseamts, des Bundeskriminalamtes und anderer Sicherheitsbehörden«. Sechs Wochen nach dem Gipfel würden »Abgründe im Umgang der Sicherheitsbehörden mit den Rechten von Journalisten sichtbar – und ein erstaunliches Maß an Verachtung rechtsstaatlicher Prinzipien«, sagte die Netzwerkvorsitzende Julia Stein.

Mehreren Journalisten war die Akkreditierung für die Gipfel-Berichterstattung infolge falscher oder veralteter Einträge in Dateien des Bundeskriminalamtes und der Sicherheitsbehörden des Länder entzogen worden, wie sich inzwischen herausstellte. Einige der betroffenen Medienvertreter, darunter eine Kollegin des »nd«, warten immer noch auf Auskunft der Behörden.

»Dass sich Bundespresseamt und Bundeskriminalamt bei einem so schwer wiegenden Eingriff in die Arbeit der Journalisten ohne Prüfung auf falsche Angaben berufen, wirft kein gutes Licht auf die Behörden«, kritisierte Stein. Sie nannte eine öffentliche Entschuldigung und vollumfängliche Aufklärung »das Mindeste, das die Betroffenen dieser willkürlichen Entscheidungen erwarten dürfen«. Es sei sechs Wochen nach dem G20-Gipfel »nicht mehr nachvollziehbar, dass Kollegen immer noch auf eine Antwort warteten«. Dies hatten Regierungssprecher und Bundesinnenministerium immer wieder zugesagt.

Auch der frühere Richter beim Bundesverfassungsgericht Wolfgang Hoffmann-Riem übte schwere Kritik. Der ARD sagte er, »wenn Journalisten als kriminell bezeichnet oder sogar der politisch motivierten Kriminalität bezichtigt werden, dann muss man damit sehr vorsichtig sein. Und wenn es nicht einmal irgendeine strafrechtliche Verurteilung in diesem Zusammenhang gegeben hat, dann ist das skandalös, dies noch in den Dateien zu halten und zum Anlass für Maßnahmen gegenüber Journalisten zu nehmen«.

Zwar seien polizeiliche Dateien verfassungsrechtlich im Grunde kein Problem, dies setze aber voraus, dass sich der Einsatz solcher Speicherungen tatsächlich auf die Gefahrenabwehr beschränke, so Hoffmann-Riem. Genau dies sei aber in der Praxis das Problem, da »es ein erhebliches Defizit im Management solcher Dateien«, das den Ex-Verfassungsrichter »schon beunruhigt«. Bereits zuvor hatte der Geschäftsführer des Hamburger Journalistenverbandes DJV, Stefan Endter, gegenüber dem Magazin »Zapp« ein »massives, grundrechtsrelevantes Versagen« der Behörden beklagt.

Nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios gehen die Einträge in Polizeidateien in mindestens einem Fall auf Informationen türkischer Behörden zurück. Insgesamt 32 Journalisten waren nach Beginn des Gipfeltreffens in der Hansestadt Anfang Juli von der Berichterstattung vor Ort ausgeschlossen worden, obwohl sie zuvor Akkreditierungen erhalten hatten. Mehrere von ihnen klagten anschließend gegen die Entscheidung des Bundespresseamts, das sich auf Einschätzungen der Sicherheitsbehörden berufen hatte. vk mit Agenturen

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