Abgaswerte: Umwelthilfe droht 45 Städten mit Klagen

Kommunen sollen Lösungen zur Senkung der Stickstoffdioxidbelastung vorlegen / Hendricks: Fahrzeuge müssen technisch verbessert werden

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Berlin. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) will im Kampf um saubere Luft den Druck auf Bundesländer und Städte erhöhen. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch kündigte an, die DUH werde in den kommenden Tagen für 45 weitere Städte formale Verfahren zur Sicherstellung der Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) einleiten. Resch sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin, die für die Luftreinhaltung zuständigen Behörden würden aufgefordert, binnen vier Wochen wirksame Maßnahmen wie Diesel-Fahrverbote verbindlich zu erklären.

Zu Bundesländern und Städte, die damit neu ins Visier der Umwelthilfe geraten, zählen laut Resch unter anderem Schleswig-Holstein mit Kiel, die Stadt Hannover in Niedersachsen und Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt.

Wer ist belastet?

Laut Deutscher Umwelthilfe überschreiten diese 61 Städte die NO2-Grenzwerte um mehr als 10 Prozent (Städtename Mikrogramm pro Kubikmeter):

Stuttgart 82, München 80, Reutlingen 66, Kiel 65, Köln 63, Hamburg 62, Limburg a.d. Lahn 60, Düren 60, Düsseldorf 58, Heilbronn 57, Backnang 56, Darmstadt 55, Hannover 55, Esslingen am Neckar 54, Ludwigsburg 53, Wiesbaden 53, Mainz 53, Berlin 52, Frankfurt am Main 52, Offenbach am Main 51, Hagen 51, Essen 51, Dortmund 51, Bochum 50, Paderborn 50, Oldenburg (Oldb) 50, Mühlacker 49, Ravensburg 49, Herrenberg 49, Wuppertal 49, Bonn 49, Aachen 49, Bielefeld 49, Tübingen 48, Gelsenkirchen 48, Siegen 48, Oberhausen 48, Osnabrück 48, Leinfelden-Echterdingen 47, Leonberg 47, Pleidelsheim 47, Marburg 47, Hürth 47, Mannheim 46, Nürnberg 46, Ludwigshafen am Rhein 46, Augsburg 46, Halle (Saale) 46, Leverkusen 45, Herne 45, Witten 45, Neuss 45, Mülheim an der Ruhr 45, Dresden 45, Heidenheim an der Brenz 44, Kuchen 44, Norderstedt 44, Schwerte 44, Gießen 44, Hildesheim 44, Mönchengladbach 44

Die Umwelthilfe fordere saubere Luft bereits im Jahr 2018 für alle Städte, die aktuell die NO2-Grenzwerte um 10 Prozent oder mehr überschreiten, sagte Resch. Aktuell liegen 61 Städte mindestens 10 Prozent über dem Grenzwert. Gegen Leipzig führt die DUH bereits seit längerem ein Verfahren, auch wenn die Stadt den Grenzwert aktuell nur um 5 Prozent überschreitet.

Die DUH gebe den zuständigen Städten und Landesbehörden die Möglichkeit, der Organisation mitzuteilen, ob sie geeignete Maßnahmen ergreifen wollen, damit 2018 in den betroffenen Städten die Stickoxid-Grenzwerte unterschritten werden. »Wenn die Antworten nicht zufriedenstellend ausfallen, werden wir weitere Rechtsverfahren prüfen und gegebenenfalls kurzfristig einleiten.«

Die Umwelthilfe klagt bereits in 16 Fällen vor Gericht und unterstützt eine weitere Klage des BUND gegen Hamburg. Für Düsseldorf, München und zuletzt Stuttgart habe die DUH Gerichtsentscheidungen erwirkt, die konkrete Diesel-Fahrverbote ab 2018 als einzige vom Gericht als wirksam angesehene Maßnahmen bewerten, damit die Luftqualitäts-Grenzwerte eingehalten werden.

Resch reagierte mit seinem Vorstoß auf neue amtliche Berechnungen. Demnach bleibt die Luft in fast 70 deutschen Städten trotz der auf dem Diesel-Gipfel beschlossenen Maßnahmen schmutziger als erlaubt. Wie das Bundesumweltamt (UBA) ausgerechnet hat, dürfte die Belastung der Stadtluft mit gesundheitsschädlichem Stickoxid um bis zu sechs Prozent sinken. Das reicht in vielen Orten nicht, um den EU-Grenzwert einzuhalten.

Beim Diesel-Gipfel Anfang August hatte die Autobranche für Millionen Dieselautos Updates der Motorsoftware angekündigt, um die Abgasreinigung zu verbessern. Zugleich hatte die Branche den von Umweltschützern geforderten, als wirksamer geltenden Nachbesserungen an Motorbauteilen selbst eine Absage erteilt.

»Es gibt einen Effekt, aber es reicht eben noch nicht aus«, hatte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Mittwoch in Berlin gesagt. Daher müsse es in den nächsten Monaten darum gehen, die Diesel technisch noch weiter zu verbessern. »Also nicht nur die Software, sondern auch die Hardware«, mahnte sie. Solche Nachrüstungen am Motor selbst lehnt die Autobranche bisher ab. Diese sei »in der Breite technisch nicht umsetzbar«, denn es fehle der Platz für die nötigen Tanks. Außerdem sei sie »langwierig«, erklärte der Verband der Automobilindustrie (VDA) am Mittwoch.

Die Umwelthilfe ist eine Umweltschutz- und Verbraucherorganisation, die aufgrund ihrer vielen Klagen und harschen Kritik an der Industrie vor allem von der Autobranche heftig attackiert wird.

Resch hatte sich zuletzt überzeugt gezeigt, die Autoindustrie habe auch zwei Jahre nach Bekanntwerden der Diesel-Affäre »den Schuss nicht gehört«. Hendricks will sich dem ausdrücklich nicht anschließen: Sie sei ganz sicher, dass die Autoindustrie an dem Problem arbeite, sagte sie am Mittwoch. »Und in dem Zusammenhang will ich vielleicht auch mal sagen, dass die Deutsche Umwelthilfe auch dazu neigt, zu skandalisieren«, fügte die SPD-Ministerin hinzu. Agenturen/nd

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