Die letzte Chance auf einen schönen Sommer

Zur EM kehren die deutsche Volleyballer an einen Erfolgsort zurück, doch eine Wiederholung fällt in Zeiten des Umbruchs schwer

  • Martin Moravec, Szczecin
  • Lesedauer: 3 Min.

Drei Jahre nach dem historischen Bronze-Coup bei der WM löst die Rückkehr nach Polen bei den deutschen Volleyballern noch immer Gänsehaut aus. Doch nach einem Sommer der Enttäuschungen ist die Reise in die Hafenstadt Szczecin für die EM-Mannschaft von Nationaltrainer Andrea Giani ein Aufbruch ins Ungewisse. Mit weniger als einer Medaille will sich Daueroptimist und Ausnahmespieler Georg Grozer aber keineswegs zufrieden geben.

»Ich glaube auch an vielleicht unglaubliche Sachen. Mein Ziel ist es immer, eine Medaille zu holen«, versicherte der 32-jährige Diagonalangreifer vor dem Auftakt am Freitagabend gegen den Olympiazweiten Italien. »Das Spiel ist nicht zum Warmmachen. Es ist Vollgas angesagt. Wir spielen, um zu gewinnen.«

Vor allem spielt der WM-Dritte von 2014 erheblich riskanter und aggressiver als unter dem vorsichtigeren Erfolgstrainer Vital Heynen. Giani zieht diesen Stilwechsel konsequent durch, fordert dafür Zeit ein - und darf sich Misserfolge erlauben. Die WM 2018 wurde in zwei Qualifikationsturnieren verspielt, ebenso der Aufsteig in der Weltliga. »Wir wollen unter die ersten Sechs kommen«, sagte Giani nun mit Blick auf die EM.

Der Auftakt ist gleich der Gradmesser. Die Italiener müssen zwar auf ihre überragenden Angreifer Osmany Juantorena und Ivan Zaytsev verzichten. Der sechsmalige EM-Champion verfügt aber immer noch über ganz viel Klasse. »Natürlich ist das mein Land, für das ich 20 Jahre gespielt habe. Und ich werde beide Nationalhymnen im Geist mitsingen«, räumte Giani ein, der mit 474 Länderspielen Italiens Rekordmann ist. »Aber ich bin Trainer der deutschen Nationalmannschaft und wenn das Spiel beginnt, denke ich nur an meine Jungs.«

Seine Jungs, das sind im 14-Mann-Kader allein sieben EM-Debütanten, darunter der erst 17 Jahre alte Außenangreifer Linus Weber und der 18-jährige Mittelblocker Tobias Krick. Der Altersschnitt liegt bei 25 Jahren. »Ich versuche, ihnen die Nervosität zu nehmen«, sagte Grozer, mittlerweile der Älteste im deutschen Aufgebot. Er war vor 35 Monaten bei der Sensations-WM dabei: Nach Gold für die DDR 1970 war Bronze in Katowice erst der zweite deutsche Podestplatz der WM-Geschichte.

Genau dort würde der Auftakt in die K.o.-Runde warten. »Da kriegt man Gänsehaut. Ich freue mich«, sagte Grozer in Erinnerung an 2014. Ein Jahr später hatten die Deutschen bei der bislang letzten EM in Bulgarien und Italien dann meilenweit unter Form gespielt und wurden nur Achte. Giani führte damals die Slowenen völlig überraschend zu Silber.

Die Tschechen am Sonntag (20.30 Uhr) und die Slowakei am Montag (17.30 Uhr) als letzte Staffelgegner sollten für die Deutschen keine zu hohen Hürden darstellen. Es zählt jeder Punkt. Denn nur die Gruppensieger erreichen direkt das Viertelfinale, die Zweit- und Drittplatzierten müssen in die Achtelfinals. »Wir haben unser Niveau angehoben, aber wir müssen es über einen längeren Zeitraum zeigen. Dazu müssen wir an uns glauben«, betonte Giani, dessen Mannschaft in den letzten Tests gegen Finnland und Belgien immer besser harmoniert hat. Gegen eine EM voller Gänsehautmomente hätte der Italiener sicherlich nichts einzuwenden. dpa/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.