Im Namen der Rechtssicherheit

Die Humboldt-Universität soll sich geweigert haben, eine transsexuelle Person unter ihrem gewählten Namen zu immatrikulieren

  • Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 3 Min.

»Es gab anscheinend im Februar eine Anweisung an Unis vom Land Berlin, trans Leute nicht mehr unter ihrem Namen zu immatrikulieren«, schreibt Mitte August ein Twitter-Nutzer. Die Humboldt-Universität (HU) habe sich geweigert, ihn unter seinem richtigen Namen zu immatrikulieren, erzählt er dem »nd«. Sein richtiger Name, den er nicht in der Zeitung lesen will, ist der, den er sich selbst gegeben hat, der in seinem dgti-Ausweis steht, dem Ergänzungsausweis der Deutschen Gesellschaft für Transsexualität und Intersexualität. Nicht sein Geburtsname, der auf dem Personalausweis steht. Das Immatrikulationsamt habe auf das Senatsschreiben verwiesen und darauf, dass es sich bei der Immatrikulation um ein »öffentlichkeitswirksames Dokument handelt - das ginge nicht«.

Der Aufschrei auf Twitter war groß. Betroffene berichteten von ähnlichen Erfahrungen. Rosa Preiß vom Queer-Referat der Technischen Universität erzählt, dass sie noch vergangenes Jahr ihren Namen mit dem dgti-Ausweis ändern konnte. »Jetzt ist mir ein Fall bekannt, wo das abgewiesen wurde. Das deckt sich also mit unserer Erfahrung, dass es eine Änderung gegeben haben muss.«

Kultursenator Klaus Lederer (LINKE) schaltete sich ein: »Dem müssen wir nachgehen.« Der wissenschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Tobias Schulze, forschte. Es hatte tatsächlich ein Schreiben gegeben. Das Paradoxe, so Schulze: »Das Schreiben sollte den Umgang mit Transsexuellen deutlich verbessern.« Also alles nur ein Missverständnis?

Matthias Kuder, Sprecher der Wissenschaftsverwaltung, bestätigt, dass die Antidiskriminierungsstelle des Bundes den Senat Ende des Jahres dazu aufgefordert hatte, das Leben von Trans- und Intersexuellen an Universitäten zu erleichtern. Der Senat formulierte ein entsprechendes Anschreiben. Allerdings verwies er darin auch darauf, dass es »bislang keine rechtliche Prüfung gab, ob beispielsweise eine Immatrikulationsbescheinigung mit frei gewähltem Namen rechtssicher ist«, so Kuder.

Ein Hinweis, den die Universitäten offenbar auf eigene Art interpretiert haben. Eine Sprecherin der HU sagte zwar, man fasse das Schreiben des Senats auf »im Sinne der betreffenden Personen, und agiert auch in diesem Sinne«. Die betroffene Person sieht das aber anders. »Da ging vor dem Immatrikulationsbeginn anscheinend eine Rundmail rum, dass nur offizielle, gerichtlich geänderte, Namen anerkannt werden dürfen. Das fasse ich als Diskriminierung auf.« Man habe ihr zudem gesagt, dass »sich ja sonst alle unter jedem Namen immatrikulieren können«.

Kuder rechtfertigt die Anmerkung im Schreiben: »Da lassen wir die Person sonst in rechtlich unklare Situationen laufen.« Denn wie Dritte damit umgehen, dass der Name auf einem Dokument wie dem Semesterticket vom Pass abweicht, darauf habe weder Senat noch Universität Einfluss: »Wir sind nicht die BVG.« Konsequenzen will der Senat trotzdem ziehen: Er will prüfen, welche Praxis andere Bundesländer entwickelt haben. Er will eine Liste an Möglichkeiten erarbeiten, die rechtlich unbedenklich sind. Und er will mit Dritten wie der BVG sprechen. Für die betroffene Person kommt das zu spät. Am heutigen Freitag endet die Immatrikulationsfrist. »Ich habe mich jetzt mit dem Namen eingeschrieben, der in meinem Pass steht, und hoffe, dass es sich dann ändern lässt.«

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