Immunität für deutsche Soldaten in Jordanien?
Amman möchte mit Deutschland zur Stationierung von Bundeswehrsoldaten Rechtliches klären
Die Debatte trifft die jordanische Regierung in einer schwierigen Situation. Nachdem sie jahrelang marginalisiert war, kaum eine Rolle spielte, hat die Muslimbruderschaft bei den Kommunalwahlen in Jordanien Erfolge erzieht. In Amman errang die »Islamische Aktionsfront« fünf Sitze; in Zarqa, der drittgrößten Stadt des Landes, wird der stellvertretende Parteivorsitzende Ali Abu al Sukkar Bürgermeister.
Gut 80 Kilometer östlich von Zarqa, auf dem Luftwaffenstützpunkt al Azraq, sollen im Oktober die rund 280 Bundeswehrsoldaten stationiert werden, die aus dem türkischen Incirlik abgezogen werden, nachdem die türkische Regierung deutschen Abgeordneten Besuche dort untersagt hatte. Doch auch der Umzug nach Jordanien gestaltet sich nicht unproblematisch. Die Bundesregierung möchte, dass die deutschen Soldaten in Jordanien Immunität genießen, berichtete Spiegel Online, und in vielen deutschen Medien wurde daraufhin auf die Scharia verweisen, vor der man die deutschen Soldaten schützen möchte.
Eine Steilvorlage für al Sukkar und die »islamische Aktionsfront«, die im Wahlkampf mit einem antiwestlichen, anti-israelischen Kurs angetreten waren. »Die Regierung will für ein paar Dollar unsere Werte verkaufen«, so al Sukkar am Sonntag im jordanischen Fernsehen. »Die Scharia ist nicht verhandelbar. Die Regierung muss jeden des Landes verweisen, der nicht dazu bereit ist, sich an unsere Gesetze zu halten.«
Doch tatsächlich spielt die Scharia fast nur im Familienrecht eine Rolle - und dies auch nur dann, wenn alle Beteiligten Muslime sind. Andernfalls gilt das Recht der entsprechenden Religion oder ein ziviles Familienrecht. Außerdem gibt es theoretisch die Möglichkeit, in einem Mordfall ein »Blutgeld« zu bezahlen, durch das der verurteilte Täter dann der Todesstrafe entgeht.
Straf- und Zivilrecht indes basieren teilweise auf der britischen Straf- und Militärgesetzgebung der 30er Jahre, dem französischen Zivilrecht, dem osmanischen Besitzrecht. Auch die Todesstrafe wird auf der Grundlage säkularer, auf europäischen Vorlagen basierender Gesetze vollstreckt.
Aus deutscher Sicht wäre eine Vereinbarung erstrebenswert, wie man sie mit Katar getroffen hatte. Dort sollen Soldaten, die gegen Gesetze verstoßen haben, einfach ausgeflogen werden. »Fur uns ist das keine akzeptable Lösung«, sagt Justizminister Ahwad Maschagbeh. »Wir müssen sicher sein, dass Rechtsverstöße auch tatsächlich geahndet werden. Außerdem muss klar geregelt werden, wie zivilrechtliche Ansprüche gehandhabt werden sollen.«
Er verweist auf die komplizierte Rechtslage: »Wir haben ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, dass uns dabei helfen soll zu verstehen, was passiert, wenn ein Deutscher in Jordanien eine Tat begeht und in Deutschland vor Gericht gestellt werden soll«, sagt Maschagbeh. Gemäß § 7 Absatz 2 des deutschen Strafgesetzbuches gilt das deutsche Strafrecht, wenn der Täter Deutscher ist, oder es geworden ist und die Tat auch am Tatort strafbar ist. Geklärt werden müssten dann aber auch verfahrensrechtliche Fragen.
Die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden ist bislang mangels bisheriger Notwendigkeit kaum eingespielt; eventuelle Prozesse dürften deshalb kompliziert und teuer werden. In zivilrechtlichen Fragen, wie beispielsweise bei Schadensersatzforderungen durch Jordanier, komme hinzu, dass Zivilisten die Durchsetzung solcher Ansprüche massiv erschwert werden würde. »Es kann immer mal ein Unfall passieren, und kein Jordanier kann sich einen deutschen Anwalt oder auch nur eine deutsche Gerichtsgebühr leisten; einmal abgesehen von der sprachlichen Barriere«, sagt Maschagbeh. Jordanien wolle deshalb für solche Fälle Sicherheiten verlangen dürfen. »Hinzu kommt, dass wir auch Briten, Amerikaner, Leute von den Vereinten Nationen hier haben und nicht noch zusätzlich zum ohnehin schon komplizierten Recht ein Sonderrecht für Ausländer schaffen wollen.« Probleme habe es übrigens in mehreren Jahrzehnten nur einmal gegeben.
Und zwar vor einigen Wochen, als ein Wachmann der israelischen Botschaft außerhalb des Botschaftsgeländes Schüsse abfeuerte und zwei Menschen getötet wurden. Die Umstände sind ungeklärt. Als sich die israelische Regierung weigerte, den Wachmann durch jordanische Ermittler befragen zu lassen, folgte eine mehrtägige diplomatische Krise samt eines Sturms der Entrüstung, als die jordanische Regierung dem Israeli die Ausreise erlaubte. »Solche eine Situation werden wir definitiv nicht noch einmal zulassen«, sagt Maschagbeh.
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