BKA will umstrittene Datensätze nicht überprüfen

Münch lehnt nach Vorwürfen eine geforderte Generalrevision der Einträge ab / Grünen beantragen Sondersitzung des Innenausschusses

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Trotz der Vorwürfe illegaler Datenspeicherung durch das Bundeskriminalamt (BKA) hat Behördenchef Holger Münch eine Generalrevision des Datenbestandes vorerst abgelehnt. Münch wies am Freitag in Berlin Vorwürfe einer massenhaften Speicherung der Daten unbescholtener Bürger zurück und räumte lediglich Schwachstellen im bisherigen System ein.

Zu Forderungen nach einer Generalrevision des Datenbestandes in der zentralen Polizeidatei Inpol sagte Münch, diese sei nicht notwendig. Es werde derzeit ohnehin an der Einführung eines »polizeilichen Analyseverbundes« gearbeitet, der die bisherigen Falldateien ablösen solle. Dies werde »mehr Datenschutz« bei gleichzeitig »höherer Effektivität« bedeuten und auch zu einer Qualitätskontrolle der Bestandsdaten genutzt werden.

Hintergrund der Vorwürfe wegen der Speicherpraxis ist der Entzug der Akkreditierung von 32 Journalisten für den G20-Gipfel in Hamburg wegen Sicherheitsbedenken. Das Bundesinnenministerium hatte eingestanden, dass dies mindestens in vier Fällen auf Datenfehler zurückging.

Neun Journalisten klagen vor dem Berliner Verwaltungsgericht und wollen feststellen lassen, dass der Entzug der Akkreditierung rechtswidrig war. Vor allem sollen Daten unzulässig gespeichert worden sein, obwohl sie hätten gelöscht werden müssen.

ARD-Recherchen hatten ergeben, dass allein in der BKA-Fallgruppe zur Inneren Sicherheit derzeit 109.625 Menschen und mehr als eine Million Datensätze zu politischen Delikten womöglich teilweise unrechtmäßig gespeichert sind.

Streit um Speicherpraxis zwischen Union und SPD

Darüber gibt es mittlerweile auch Streit in der Koalition. Nachdem Justizminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag eine Aufklärung womöglich rechtswidriger Speicherungen verlangt hatte, griff Innenminister Thomas de Maizière (CDU) seinerseits den Justizminister an. Es sei dessen Ressort gewesen, das einen besseren Datenaustausch zur Vermeidung von Fehlern blockiert habe, behauptete de Maizière in der »Süddeutschen Zeitung« vom Freitag.

Hintergrund ist die Vorgabe, wonach eine sofortige Datenlöschung dann erfolgen muss, wenn etwa ein Freispruch vor Gericht klarstellt, dass ein Vorwurf unberechtigt war. Dazu müssten jedoch von der zuständigen Staatsanwaltschaft Informationen über einen Verfahrensausgang an die Polizei weitergegeben werden - was offensichtlich nicht immer passiert. »Das ist eine Schwachstelle, wo wir mit weiterer Automatisierung weiterkommen müssen«, räumte Münch ein. Auch de Maizière sagte, mit einer solchen Automatisierung ließe sich ein erheblicher Teil des Problems lösen.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann griff wegen der Datenaffäre erneut de Maizière an. »Seit Jahren ist dem Innenminister das Datenchaos im BKA bekannt«, erklärte er am Freitag in Berlin. Bereits zuvor hatte Oppermann de Maizière für »schlampige Datenpflege« verantwortlich gemacht und erklärt: »Offenbar speichert das BKA wahllos Informationen über unschuldige Bürger.«

Münch wies solche Vorwürfe zurück: »Die Polizeien des Bundes und der Länder speichern nicht massenhaft Daten unbescholtener Bürger.« Für die Speicherung und auch das Löschen der Daten sei immer die Behörde verantwortlich, die diese eingespeist habe. Dies seien in den meisten Fällen die Polizeien der Länder. Grundsätzlich würden alle Einträge nach Ablauf einer Speicherfrist zwischen einem und zehn Jahren automatisch überprüft.

LINKEN-Fraktionsvize Jan Korte beharrte ebenso wie die Gewerkschaft ver.di in Berlin darauf, alle BKA-Bestandsdaten einer unabhängigen Kontrolle zu unterziehen. Auf eine parlamentarische Aufklärung drängte erneut der Deutsche Journalistenverband (DJV). »Die Daten bleiben viel zu lange ungeprüft in den Datenbeständen«, kritisierte auch der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Die Grünen im Bundestag beantragten am Freitag eine Sondersitzung des Innenausschusses »zu den fehlerhaften und rechtswidrig gespeicherten Daten«. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -