Israels Botschafter warnt vor AfD-Einzug in Bundestag
Jeremy Issacharoff: »Solche Positionen dürfen keine öffentliche Bühne erhalten«
Berlin. Der neue israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, empfindet einen möglichen Wahlerfolg der AfD bei der Bundestagswahl als Bedrohung. »Wenn eine Partei mit solchen antisemitischen Äußerungen erstmals in den Bundestag einziehen würde, wäre das sehr besorgniserregend! Solche Positionen dürfen sich nicht ausbreiten und dürfen keine öffentliche politische Bühne erhalten«, sagte Issacharoff der Oldenburger »Nordwest Zeitung« (Mittwoch).
»Jede Partei, die judenfeindliche Einstellungen duldet oder sogar unterstützt, ist für Israel eine Bedrohung. Wir wissen es aus der Vergangenheit: Antisemitismus kann an einem Ort auflodern und breitet sich dann aus«, sagte der Botschafter, der vor einer Woche seinen Dienst in Berlin angetreten hat. »Jeder, der ein Interesse daran hat, eine demokratische und tolerante Gesellschaft zu bewahren, sollte darüber beunruhigt sein.«
Umfragen zufolge kann die AfD sicher damit rechnen, in den neuen Bundestag einzuziehen. Die Parteispitze hat sich von antisemitischen Äußerungen einzelner Mitglieder zwar zögerlich distanziert, andere Parteigremien urteilten aber zum Teil weniger klar. 2014 warf der brandenburgische Fraktionschef und heutige Spitzenkandidat Alexander Gauland den Abgeordneten Jan-Ulrich Weiß aus der Fraktion. Dieser hatte über seine Facebook-Seite eine Karikatur verbreitet, die Gauland als antisemitisch einstufte. Gaulands Drängen, Weiß aus der Partei auszuschließen, lehnt das Landesschiedsgericht aber ab.
2016 führte ein Streit um Antisemitismus-Vorwürfe gegen den baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon zu einer vorübergehenden Spaltung der AfD-Fraktion. Parteichefin Frauke Petry hat ihre Partei als »Garanten jüdischen Lebens« bezeichnet. Ihr Ehemann, der nordrhein-westfälische AfD-Fraktionsvorsitzende Marcus Pretzell, nennt Israel ein Vorbild für Europa - »in der Form, wie man mit dem Islam umgeht«.
Der Landes- und Fraktionsvorsitzende der Thüringer AfD, Björn Höcke, hatte wiederum im Januar in einer Rede in Dresden mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin gesagt: »Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.« Des Weiteren sagte er: »Und diese dämliche Bewältigungspolitik, die lähmt uns heute noch viel mehr als zu Franz Josef Strauß' Zeiten. Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad.«
Die AfD stehe in Wirklichkeit vielmehr für »Holocaustrelativierung oder gar -leugnung sowie offene Nähe zur Neonaziszene«, erklärte bereits im April die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. Die AfD sei »inzwischen als rechtsextrem anzusehen« und propagiere »Revisionismus, religionsfeindliche Konzepte, eine völkisch-nationalistische Vision, offen und folgenlos geäußerte rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Thesen«, warf Knobloch der Partei vor.
Wenn überhaupt distanziere sich die Partei nur halbherzig von diesbezüglichen Provokationen aus den eigenen Reihen. Die AfD sei »eine Schande für unser Land und für jüdische Menschen nicht wählbar!« dpa/nd
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