Werbung

Tschechien vor der Wahl: Favorit Babis in Nöten

Der populistische Chef der in Umfragen deutlich führenden Partei ANO muss um seine Immunität fürchten

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.

In gut fünf Wochen wird in der Tschechischen Republik ein neues Parlament gewählt. Und aktuelle Umfragen bestätigen einen Jahrestrend, der sich trotz aller politischer Querelen nicht zu ändern scheint: Wahlsieger dürfte die Protestbewegung unzufriedener Bürger ANO 2011 des Agro- und Medienmilliardärs Andrej Babis werden. Das Meinungsforschungsinstitut Median sieht ANO bei 26,5 Prozent der Wählerstimmen, gefolgt von den bisher regierenden Sozialdemokraten mit 14,5 und den Kommunisten mit 13 Prozent. Erst dann folgt das übrige bürgerliche Lager. Die Bürgerdemokraten von der ODS haben sich leicht erholt und liegen bei zehn Prozent, die vom ehemaligen Wirtschaftsminister Miroslav Kalousek und Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg gegründete TOP 09 bei neun Prozent. Außer diesen fünf Parteien wären noch die Christdemokraten mit 6,5 Prozent und die rechtspopulistische SPD (Freiheit und direkte Demokratie) von Tomio Okamura mit sechs Prozent im neuen Abgeordnetenhaus vertreten.

Tschechen wählen nicht, sondern sie wählen ab. So könnte man die politische Linie aus nahezu allen Parlamentswahlen und 13 Regierungen seit 1993 beschreiben. Mal waren es die Bürgerlichen, mal die Sozialdemokraten, die ihr Glück versuchen durften - und häufig das Amt auch als Pfründe für das eigene Wohlbefinden nutzen wollten. Das Wahlvolk strafte in regelmäßiger Folge ab. Nur fünf Regierungen gingen aus regulären Parlamentswahlen hervor, die anderen wurden nach Polit- oder Wirtschaftsskandalen installiert.

Und auch in diesem Jahr waren schon wieder die dunklen Wolken eines vorzeitigen Rücktritts am Polithimmel auszumachen. Premier Bohuslav Sobotka (CSSD) drohte mit dem Schritt, sollte nicht die Finanzaffäre um seinen Stellvertreter und ANO-Chef Andrej Babis geklärt werden. Der Verfassung gehorchend entließ Staatspräsident Milos Zeman den Finanzminister schließlich und beließ Sobotka im Amt.

Damit ist die Geschichte für Babis jedoch noch nicht zu Ende. Der Immunitätsausschuss des Parlaments empfahl in der Vorwoche die Aufhebung der Immunität des liberal-populistischen Abgeordneten. Damit wäre der Weg frei, Anklage wegen Betrugs bei EU-Subventionen zu erheben. Das Prager Abgeordnetenhaus soll noch in dieser Woche über die Aufhebung seiner Immunität entscheiden. Babis, der Eigentümer des international agierenden Agrofert-Konzerns ist und zudem ein tschechisches Medienimperium führt, hatte vom Unternehmen ausgegebene Schuldscheine aufgekauft und damit seine Steuern gesenkt. Dies sei im legalen Rahmen geschehen, so der damalige Finanzminister, kein Grund für einen Rücktritt also. Parlament und Untersuchungsausschuss sahen das anders; möglicherweise wird sich der reichste Tscheche nun doch noch rechtlich verantworten müssen.

Für seine Spitzenkandidatur zum Regierungschef wäre das ein schlechtes Omen. Zumal Medien zufolge mehr als die Hälfte der Tschechen kein Vertrauen in Babis haben. Selbst 31 Prozent der eigenen Anhänger sprechen sich gegen eine Führerschaft des Parteichefs aus. So könnte ANO kurz vor der Wahl ohne einen charismatischen Kandidaten für den Regierungschef dastehen. Ganz abgesehen von einem geeigneten Koalitionspartner.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.