Wahlkampfopfer Rambatz
Hamburger Linkspartei-Politikerin tritt nach umstrittenem Facebook-Posting von Bundestagskandidatur zurück
Knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl versuchen Teile der Linkspartei die Reihen geschlossen zu halten. Vertreter unerwünschter Positionen und potenzielle Skandalbringer müssen für dieses Ziel auch schon mal die Plätze räumen. Getroffen hat es nun Sarah Rambatz. Die 24-jährige Bundessprecherin der Linksjugend und Bundestagskandidatin der Hamburger LINKEN ist von ihrer Kandidatur zurückgetreten. Als Nummer fünf auf der Liste wäre ihr Einzug fraglich gewesen. Aber was hatte sie verbrochen, dass sie unter solchen Druck geriet?
Politisch unklug, weil Wahlkampfzeit und Stimmung in zentralen Parteigremien unterschätzend, hatte sie in einer geschlossenen Gruppe im sozialen Netzwerk Facebook nach »antideutschen Filmempfehlungen« gefragt – »grundsätzlich alles wo Deutsche sterben« geantwortet, so die nach eigener Erklärung »satirisch überspitzte« Wortwahl. Dass im Internet alles Geäußerte gegen den Urheber benutzt werden kann, hätte Rambatz bekannt sein müssen. Viele Politiker sind bereits darüber gestolpert. Ein Leser leitete auch in ihrem Fall einen Screenshot des Postings weiter.
Auf die Worte der jungen Politikerin folgte die Inszenierung eines »Skandals«. Ähnlich wie in früheren Fällen der ehemaligen Piratenpartei-Politikerinnen Anne Helm (»Thanks Bomber Harris« auf den nackten Oberkörper geschrieben), Julia Schramm (»Sauerkraut, Kartoffelbrei – Bomber Harris, Feuer frei« als Reaktion darauf) oder des Journalisten Deniz Yücel (»Super, Deutschland schafft sich ab!« – satirische Kolumne in der »Taz«) meldete sich ein spektrenübergreifender Volkszorn mit Schaum vorm Mund zu Wort. Von Linkspartei-Anhängern bis zur extremen Rechten wurde verbal auf Rambatz eingeschlagen. Sie erklärte, dass die Überspitzung ihrer Meinung nach eigentlich deutlich gewesen sei, doch sie akzeptiere, dass »die Lesart bei vielen Menschen eine andere ist«.
Ein Interpretationsvorschlag für den Aufreger: Um eine Filmvorliebe ging es nur vordergründig. Unter Cineasten gibt es schon länger das Genre »Nazi-Punching«: Es handelt sich hierbei um Filme, in denen Nazis – oft brutal, manchmal witzig – umgebracht werden. Die Satire »Iron Sky« oder Quentin Tarantinos »Inglourious Basterds« sind bekannte Beispiele. Letzterer war sogar für acht Oscars nominiert und in Deutschland ein Kassenerfolg. Soweit, so harmlos.
Der aktuelle »Skandal« besteht vermutlich aber vielmehr darin, dass Rambatz statt dem Wort »Nazis« eben »Deutsche« gesagt hat. Damit trifft sie auch im Jahr 2017 immer noch einen wunden Punkt. Während nämlich einige Bürger offenbar nach wie vor die Meinung vertreten, dass die Schuld für die Gräueltaten der Nazi-Zeit einzig bei diabolisch-charismatischen NSDAP-Funktionären zu suchen sei, weisen kritische Linke seit Jahrzehnten darauf hin: Die große Mehrheit der Deutschen fand das gut und hat das Morden bis zum Kriegsende auch leidenschaftlich unterstützt. »Die Deutschen« waren das Problem.
Auch heute zeigen Pegida- und AfD-Erfolge; wissenschaftlich etwa die Mitte-Studien: menschenverachtende Einstellungen sind immer noch in breiten Teilen der Gesellschaft anzutreffen. Rambatz’ private Äußerung nun als derbe, provokante Kritik eines alten und neuen gefährlichen Nationalismus zu lesen, ist in diesem Fall naheliegend. Die aufgebrachte Meute wollte die 24-Jährige jedoch regelrecht wörtlich – und damit falsch verstehen.
Mord-und Vergewaltigungsdrohungen gegen sie und ihre Familie waren die Folge. Die junge Politikerin gestand einen »Fehler« ein und entschuldigte sich für die »dumme, unbedachte Aktion«. Geholfen hatte es ihr nicht, ihre Partei kehrte ihr den Rücken. Spitzenkandidat Fabio De Masi erklärte gegenüber Medien, er bekäme »das kalte Kotzen«; der Bundessprecher der Linkspartei, Hendrik Thalheim, kritisierte die »seltene Dummheit und Geschmacklosigkeit«; der Hamburger Landesverband distanzierte sich ebenfalls.
Um potenzielle Wähler nicht zu vergraulen und die »Antideutschen« draußen zu halten, wurde Rambatz dem digitalen Mob geopfert. Der Pluralismus der innerhalb der Partei akzeptierten Positionen scheint zu bestimmten Zeiten zu schrumpfen.
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