Wünsche und Warnungen
Freilassung von Deniz Yücel gefordert / Neue Umdrehung im Streit mit Erdogan
Berlin. Hunderte Menschen haben am Sonntag in Berlin bei einem Auto- und Fahrradkorso zum Bundeskanzleramt die Freilassung des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel gefordert - und zum Geburtstag gratuliert. Der 44-Jährige wird seit mehr als 200 Tagen vom Regime in Ankara als politische Geisel gehalten. Linkspartei-Chef Bernd Riexinger sagte auch mit Blick auf die zahlreichen anderen in der Türkei im Gefängnis sitzenden Journalisten, deren Inhaftierung sei »eine Schande«. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour beglückwünschte Deniz Yücel mit den Worten »Happy birthday. Möge er bald mit uns allen in Freiheit feiern.«
Danach sieht es leider nicht aus, am Samstag hatte Ankara mit einem neuen Rundumschlag die Spannungen weiter angeheizt. In einer »Reisewarnung für die Bundesrepublik Deutschland« ermahnte das türkische Außenministerium in Deutschland lebende Türken und türkische Bürger, die dorthin reisen wollen, generell zur »Vorsicht«. Bundespolitiker kritisierten den Schritt, SPD-Chef Martin Schulz sagte, »die Regierung in Ankara verliert das Maß«. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einem »schlechten Witz«.
Hierzulande befeuert der Konflikt derweil die Debatte über die EU-Beitrittsverhandlungen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bezeichnete die Forderung nach einem Abbruch als richtig - dem widersprach der türkische Journalist Can Dündar. Gerade jetzt müssten die demokratischen und rechtsstaatlichen Kräfte unterstützt werden, die die Türkei in der »europäischen Familie halten wollen«, sagte Dündar, der früher Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung »Cumhuriyet« war. Am Montag geht in der Türkei der umstrittene Prozess gegen 17 Mitarbeiter des Blattes weiter.
Gegen einen Abbruch der Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei, der auch in der deutschen Linkspartei umstritten ist, sprach sich der griechische Regierungschef Alexis Tsipras aus - dies wäre »ein taktischer und strategischer Fehler« und »ein Geschenk für Erdogan«. Plädoyers für einen Stopp der Gespräche in Deutschland seien im Kontext des Bundestagswahlkampfes zu sehen, so der Politiker von der linken SYRIZA.
Andere Möglichkeiten, den Druck auf Ankara zu erhöhen, waren auch bei der Berliner Kundgebung für Deniz Yücel Thema: ein Verbot für Rüstungsgeschäfte mit der Türkei etwa, ein Veto bei der Ausweitung der Zollunion oder ein Ende der Stützung von Investitionen mit staatlichen Bürgschaften. nd
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