Linkspartei will AfD von Platz drei fernhalten

Kipping: Wahl zum Votum »gegen Stichwortgeber von Hass und Gewalt« nutzen / Gysi: Mehr über Ökologie reden / Bartsch kritisiert Merkel wegen Abgasbetrug

  • Lesedauer: 5 Min.

Berlin. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl warnt die LINKE davor, dass die Rechtsaußen-Partei AfD drittstärkste Kraft im neuen Parlament werden könnte. »Das wäre ein verheerendes Signal für das Land, nach innen und nach außen«, sagte die Ko-Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping. Sie betonte, ihre Partei wolle Platz drei einnehmen, »nicht allein, weil wir die Bronzemedaille möchten, sondern weil es so wichtig ist, was danach passiert«. Werde die LINKE dritte Kraft hinter Union und SPD, sei dies ein Signal für mehr soziale Gerechtigkeit. Erreiche die AfD diesen Platz, drohe ein weiterer Rechtsruck.

»Zum ersten Mal seit 60 Jahren droht eine Partei in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen, die Verbindungen in extrem rechte, ja rechtsterroristische Strukturen hat«, heißt es in einem Papier für den Wahlkampfendspurt. Die Linkspartei sieht eine Stimme für sich auch als ein Votum »gegen die Stichwortgeber von Hass und Gewalt, die sich im Internet und auf der Straße gegen Geflüchtete, ihre Unterkünfte und Andersdenkende richten«.

Die Spitzenkandidatin der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, gab indes der Bundesregierung eine Mitschuld für das Erstarken der AfD. »Bis heute hat die Regierung keinen Plan für die Integration der 900.000 Flüchtlinge. Sie schaut zu, wie radikale islamistische Hassprediger Einfluss gewinnen«, sagte Wagenknecht der »Saarbrücker Zeitung« (Dienstagausgabe). Dies mache vielen Menschen Angst. »Dass eine solche Partei mit billigen Parolen Erfolg hat, hat mit der allgemeinen Verunsicherung zu tun«, meinte die Linkenpolitikerin.

Auf die Frage nach möglichen Defiziten ihrer Partei im Umgang mit Protestwählern erklärte Wagenknecht: »Viele, die gegen die unsoziale Politik protestieren wollen, wählen nach wie vor die LINKE«. Zugleich stellte Wagenknecht klar, dass es sich bei der Forderung nach »offenen Grenzen für alle Menschen« im Grundsatzprogramm ihrer Partei um »eine Zukunftsvision und keine aktuelle Forderung« handele. »Jeder weiß, dass wir das Elend dieser Welt nicht dadurch überwinden, dass immer mehr Menschen nach Deutschland kommen.« Die Bundesregierung müsse aufhören, durch ihre Handelspolitik das Elend zu vergrößern, etwa indem man lokale Anbieter in Afrika niederkonkurriere, so Wagenknecht.

Kipping und Gysi präsentieren Papier gegen wachsende Armut

In einem von Kipping und dem Chef der Europäischen Linken sowie Ex-Fraktionschef Gregor Gysi vorgestellten Papier geht es vor allem um die Frage, was die Politik gegen wachsende Armut tun könne. »Die Entscheidung in diesem Wahlkampf liegt zwischen einer Politik des Weiter so mit verschlimmbessernden Varianten und einer Politik des sozialen Aufbruchs.« Je stärker die Linke bei der Wahl werde, desto größer sei »die Chance, dass die anderen Parteien nicht einfach weiter so machen können«.

Dies ist auch eine Ansage in Richtung SPD und Grüne in der Schlussphase des Bundestagswahlkampfs. »Bei SPD und Grünen hat man den Eindruck, die haben sich verabschiedet vom Ziel eines Politikwechsels«, so Kipping. »Wer sein Ziel darin sieht, Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder zum Sieg zu verhelfen, verrät schon heute seine Wähler.« Die Äußerungen sind auch vor dem Hintergrund zu verstehen, dass eine Mehrheit links der Union nicht mehr als realistisch anzusehen ist. Auch haben die rot-rot-grünen Parteien kaum auf belastbarer Grundlage zueinander gefunden.

Die Linkspartei, so Kipping und Gysi, stünde dafür, dass »soziale Zuwendung und Sicherheit die Gesellschaft prägen, der Reichtum dieser Gesellschaft gerecht verteilt wird, eine offene Demokratie zur Mitwirkung einlädt und herausfordert, Klimaschutz und sozialökologischer Umbau keine Lippenbekenntnisse, sondern Handlungsauftrag sind, das Öffentliche durch Investitionen und Eigentum gestärkt wird und die Außenpolitik dem Grundsatz verpflichtet ist, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf«.

In dem Papier nennt die LINKE die Entlastung geringer und mittlerer Einkommen, den Kampf gegen Armut und für eine bessere Rente, die Einführung einer solidarischen Gesundheitsversicherung, eine Mietobergrenze sowie Abrüstung als ihre fünf inhaltlichen Schwerpunkte. » Zu oft wurden in der Vergangenheit ihre Hoffnungen enttäuscht, zu wenig hat sich für sie zum Besseren gewandelt, zu sehr wurden sie und ihre Probleme von der herrschenden Politik ignoriert«, heißt es darin weiter.

Gysi rief seine Partei auf, sich stärker um die Umweltpolitik zu kümmern. Die Linkspartei müsse »sich einen Schub in der ökologischen Frage geben, ohne die soziale Frage zu vernachlässigen«, sagte er. »Viel zu selten diskutieren wir über den Klimawandel.«

Unterdessen hat Linksfraktionschef Dietmar Bartsch der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Dieselkrise schwere Vorwürfe gemacht. Dass das Verkehrs- und das Wirtschaftsministerium sowie andere Behörden von dem Betrug nichts gewusst hätten, sei nicht nachvollziehbar. »Entweder sind die unfähig, oder da stecken Leute mit unter der Decke«, sagte Bartsch dem Fernsehsender Phoenix. Die Linkspartei fordere, dass die Verantwortlichen für die Betrügereien zum Schaden vieler Bürger endlich auch zur Rechenschaft gezogen würden. »Es ist skandalös, dass die Kanzlerin mit den Verursachern redet, nicht aber mit den Betroffenen«, so Bartsch - man werde den Skandal im nächsten Bundestag wieder ansprechen: »Das ist noch lange nicht zu Ende, das lassen wir denen nicht durchgehen.« nd/Agenturen

Über die Wahl wird viel gesprochen - das allein ändert noch nicht die Verhältnisse. Wir schlagen im Wahlkampf eine Schneise in die Schwafelei. Lesen Sie mit auf unserer Spezialseite zur Bundestagswahl 2017​

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.