NSU-Prozess: Lebenslange Haft für Zschäpe gefordert
Mutmaßlicher Terrorhelfer Wohleben soll zwölf Jahre hinter Gitter / Mitangeklagter André E. in Gewahrsam genommen
Berlin. Im NSU-Prozess fordert die Bundesanwaltschaft lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung für die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe. Die Gesamtstrafe könne nur eine lebenslange Freiheitsstrafe sein, sagte Bundesanwalt Herbert Diemer am Dienstag zum Abschluss des mehrtägigen Anklageplädoyers vor dem Münchner Oberlandesgericht. Zudem forderte er die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und die Anordnung einer anschließenden Sicherungsverwahrung.
Auch wenn Zschäpe kein einziges Mal selbst geschossen hat, wirft die Bundesanwaltschaft Zschäpe Mittäterschaft an allen Verbrechen des »Nationalsozialistischen Untergrunds« vor: den neun Morden an türkisch- und griechischstämmigen Gewerbetreibenden, dem Mord an einer deutschen Polizistin, zwei Bombenschlägen in Köln mit zum Teil Dutzenden Verletzten sowie zahlreichen Raubüberfällen. Insgesamt forderte Diemer für 14 dieser Verbrechen jeweils lebenslänglich. Zschäpe soll alle Taten gewollt und maßgeblich unterstützt haben.
Für den mutmaßlichen Terrorhelfer Ralf Wohlleben hat die Bundesanwaltschaft indes zwölf Jahre Haft wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen gefordert. Wohlleben soll die »Ceska«-Pistole beschafft haben, mit der die Terrorzelle später neun Menschen ausländischer Herkunft ermordete. Zwölf Jahre seien unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen, so Diemer.
Für den Mitangeklagten André E. hat die Bundesanwaltschaft eine überraschend hohe Haftstrafe von zwölf Jahren verlangt. Wegen Fluchtgefahr wurde André E. zudem sofort in Gewahrsam genommen. Bis Mittwoch will das Gericht den gegen E. beantragten Haftbefehl prüfen. Das gab der Vorsitzende Richter Manfred Götzl am Dienstag bekannt. Er ordnete an, E. in die Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim zu bringen.
E. soll Beihilfe zum Bombenanschlag des »Nationalsozialistischen Untergrunds« auf ein Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse in Köln geleistet haben, indem er das Wohnmobil mietete, mit dem die Täter nach Köln fuhren. Damit ging Diemer deutlich über die Vorwürfe in der Anklageschrift aus dem Herbst 2012 hinaus. Anders als die Hauptangeklagte Beate Zschäpe und der mutmaßliche Waffenbeschaffer Ralf Wohlleben sitzt E. bislang nicht in Untersuchungshaft.
Zschäpe sei »eiskalt kalkulierender Mensch«
Bundesanwalt Diemer sagte in seinem Plädoyer, Zschäpe sei ein »eiskalt kalkulierender Mensch«, für den Menschenleben keine Rolle spielten. Menschenleben seien ihr gleichgültig gewesen, wenn es um ihre eigenen wirtschaftlichen oder ideologischen Interessen gegangen sei, sagte der Bundesanwalt.
Die Anklage hatte an den vergangenen Prozesstagen argumentiert, Zschäpe habe mit ihren Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die fanatische nationalsozialistische Gesinnung geteilt und daran mitgewirkt, Zuwanderer durch willkürliche Morde in Angst und Schrecken zu versetzen. Dabei habe sie Willen zur »Tatherrschaft« gezeigt und »ein Drittel eines verschworenen Triumvirats« gebildet.
Das Plädoyer der Anklage hatte schon vor der Sommerpause begonnen, nach mehr als vier Jahren Prozessdauer. Ebenfalls angeklagt sind vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer der Terrorgruppe. Nach der Bundesanwaltschaft sind in den kommenden Wochen die Nebenkläger mit ihren Plädoyers an der Reihe, anschließend die Verteidigung. Mit einem Urteil in dem Mammutprozess wird in einigen Monaten gerechnet.
Zschäpe ist das einzige noch lebende ehemalige Mitglied der rechtsradikalen Terrorzelle. Mundlos und Böhnhardt hatten sich nach einem fehlgeschlagenen Banküberfall im November 2011 selbst erschossen.
Nach dem Selbstmord der beiden machte sich Zschäpe nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft zudem des versuchten Mordes schuldig, als sie die Fluchtwohnung des NSU-Trios in Zwickau in Brand setzte: Sie habe damit Beweismittel vernichten wollen und den Tod von Menschen in Kauf genommen, hatte die Bundesanwaltschaft zuletzt argumentiert. dpa/nd
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