Keine Zeit für Gerechtigkeit

Steffen Twardowski vergleicht, wie Schulz zu früheren SPD-Politikern im TV-Duell gegen Merkel abgeschnitten hat

  • Lesedauer: 3 Min.

Das TV-Duell mit Angela Merkel hat bereits eine gewisse Tradition: 2005 trat Merkel als Herausforderin gegen Gerhard Schröder an, vier Jahre später als Bundeskanzlerin gegen Frank-Walter Steinmeier, dann gegen Peer Steinbrück und nun gegen Martin Schulz. Der Rahmen war immer der gleiche: ein Studio in Berlin-Adlershof, acht Kameras im Raum sowie eine für die Totale an der Decke. Vier Moderatorinnen und Moderatoren werden von den vier großen Fernsehsendern benannt und stellen nach zuvor ausgehandelten Regeln ihre Fragen. Nach etwa 90 Minuten läuft der knappe Abspann.

Repräsentative Emnid-Umfragen jeweils aus den Wochen vor und nach den Duellen zeigen, dass sich bestimmte Erwartungen und Reaktionen des Publikums kaum verändert haben: Vor den TV-Duellen waren sich jeweils etwa 60 Prozent sicher, wie sie wählen werden. Ein Drittel derjenigen, die noch zweifelten, wollte die Fernsehduelle abwarten. Stets rechneten um die 60 Prozent damit, dass Kanzlerin oder Kanzler sie eher überzeugen wird, 20 Prozent räumten der Person am anderen Stehpult die besseren Chancen ein. Frauen trauten Angela Merkel immer etwas mehr zu, zwischen Ost und West gab es keine wesentlichen Unterschiede. Auch nach den Duellen waren sich rund 60 Prozent sicher, wie sie stimmen werden. Jeweils etwa drei Prozent sagten, dass sie ihre Wahlentscheidung aufgrund des TV-Duells geändert haben.

Steffen Twardowski

Steffen Twardowski analysiert in der Linksfraktion im Bundestag die Politikwahrnehmung der Bevölkerung.

Das sind dann aber so ziemlich alle Gemeinsamkeiten. Nun zu Problemen der SPD im Jahr 2017: Union, LINKE und Grüne machen ihr zu schaffen, indem sie frühere SPD-Wählende stärker binden. Interessant ist, was Wählerinnen und Wähler, die für die SPD stimmen wollen, aber sich noch nicht endgültig dazu entschlossen haben, noch zweifeln lässt. Sie nannten als Gründe in der Umfrage vor dem Duell unter anderem, dass sie keine Unterschiede zwischen den Lösungsvorschlägen der Parteien erkennen, dass sich die SPD nicht einig ist oder dass bei ihr die falschen Politiker an der Spitze stehen. Mit solchen Argumenten müssen sich auch die SPD-Konkurrenzparteien auseinandersetzen, aber in viel geringerem Umfang.

Nach dem Duell sagten insgesamt 37 Prozent in der Umfrage, dass sie Angela Merkel überzeugender fanden, 14 Prozent nannten Martin Schulz. 15 Prozent meinten, es sei keiner von beiden besser gewesen. 30 Prozent hatten nicht eingeschaltet. Von den SPD-Wählenden bezeichneten 33 Prozent Martin Schulz als Gewinner, 22 Prozent Angela Merkel, 16 Prozent keinen von beiden und 26 Prozent hatten nicht zugesehen.

Insgesamt erreichten Peer Steinbrück 2013 und Frank-Walter Steinmeier 2009 deutlich bessere Ergebnisse. Bei der Frage, wer überzeugender war, wurde Steinbrück genauso oft wie Merkel genannt und Steinmeier gewann sogar gegen sie. Von den SPD-Wählenden sahen bei diesen beiden Duellen über 50 Prozent ihren Mann vorn.

Dass bereits die Erwartungen übersichtlich waren und das Ergebnis für die SPD so ernüchternd ausfällt, hat mehrere Gründe. Zum einen ist es offenbar die mangelnde Glaubwürdigkeit in Bezug auf ihre Wahlkampfversprechen. Immer mehr meinen, dass die SPD viele jener Missstände, die sie nun angreift, vor Jahren selbst geschaffen hat. Sie unterscheidet sich nicht genug von der Union, sie bietet auf ihre Art ein »Weiter so!«

Dazu kommt, dass Martin Schulz mit dem Slogan »Zeit für Gerechtigkeit« wirbt, im TV-Duell aber kaum darüber sprach. Er ließ sich auf die Themensetzung der Moderatorinnen und Moderatoren ein und entwickelte kein Profil, mit dem er sich von Angela Merkel unterscheidbarer machen konnte. So plötzlich die Umfragewerte Anfang des Jahres emporschossen, so deutlich fielen sie auch wieder, weil die SPD der selbst erzeugten Hoffnung kein konsequentes Konzept für einen Politikwechsel folgen ließ. Daher überrascht es nicht, dass die SPD-Anhänger in der Woche nach dem Duell in Bezug auf ihre Entscheidung unsicherer als zuvor sind, ganz im Gegensatz zu den anderen Parteien. Mit einer Fernsehdebatte kann niemand ein Bild von sich erzeugen, dass nicht sonst auch im Alltag sichtbar ist.

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