G20-Hipster zu Bewährungsstrafe verurteilt

29-jähriger Schweizer hat zwei Flaschen auf Polizeibeamte geworfen / Richter verurteilt Aktivisten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 3 Min.

Schlag auf Schlag werden jetzt die Urteile über jene Aktivisten gefällt, die während der G20-Krawalle in Hamburg wegen mutmaßlicher Flaschen- oder Steinwürfe festgenommen worden waren. Der 29-jährige Schweizer, der sich wegen Körperverletzung vor dem Hamburger Amtsgericht verantworten musste, erhielt am Donnerstag eine Strafe von einem Jahr Haft auf Bewährung.

Ein vergleichsweise mildes Urteil, setzt man es zu den bisherigen ins Verhältnis: Drei junge Männer aus Deutschland, Frankreich und Polen wurden zuvor zu sechs und 17 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, ein 21-Jähriger aus den Niederlanden sogar zu zwei Jahren und sieben Monaten Haft ohne Bewährung.

Lesen Sie hierzu auch den Kommentar: Politisches Urteil – Sebastian Bähr über drakonische Strafen für G20-Demonstranten

Dem 29-Jährigen Schweizer wurde wie vielen anderen vorgeworfen, Glasflaschen auf Polizisten geworfen zu haben, in seinem Fall zwei, und in seinem Fall sollen sie die Beamten verfehlt haben. Anschließend soll der Aktivist einen Unbekannten mehrmals geschlagen haben. Was den Schweizer außerdem von den anderen Festgenommenen unterscheidet: Er wurde nicht am Rande von Krawallen auf der Schanze oder bei aktivistischen Protesten gegen den G20-Gipfel festgesetzt, sondern bei der sehr entspannt verlaufenen Tanzdemonstration am Mittwochabend vor den Protesten. »Lieber tanz’ ich als G20«, zu diesem Rhythmus tanzten rund 20.000 linke Raver durch Hamburg, auch der 29-Jährige – dann verbrachte er zehn Wochen in Untersuchungshaft.

Von Milde mag die Anwältin Iris Killinger deshalb nicht sprechen. Sie sieht die lange Untersuchungshaft und die öffentliche Verhandlung als unverhältnismäßig an, hat sich ihr Mandant doch für die Flaschenwürfe bereits entschuldigt. »Mein Mandant muss als Sündenbock für die späteren Verwüstungen um den G20-Gipfel hinhalten«, zitiert sie der Schweizer »Tagesanzeiger«.

Der öffentliche Prozess und die Berichterstattung brachten dem Verurteilten bereits viel Ärger ein. Ende Juli berichteten Medien in der Schweiz über seinen Fall, dann nahm auch die »Bild«-Zeitung die Geschichte auf. Sie zeigte ein Bild des 29-Jährigen an seinem Arbeitsort: im Zürcher Szenerestaurant im »Kreis 4«. Neonazis in den sozialen Medien nahmen die Geschichte dankbar auf und hetzten auf den Facebookseiten des Restaurants gegen den Aktivisten. »Auf der Tageskarte stehen fliegende Gehwegplatten« und »Ihr werdet haufenweise verrecken«, solche Nachrichten dominierten die Onlineauftritte der Gaststätte – die ihre Sommerpause daraufhin verlängerte.

Der Flaschenwerfer ist nicht als Linksradikaler bekannt, Freunde bezeichnen ihn eher als »Hipster«. Am Donnerstag wurde er wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Nach diesem Prozess wird er aus der Untersuchungshaft entlassen.

Vor Gericht entschuldigte sich der Züricher für seine Tat: Er sei wegen eines berechtigten politischen Anliegens nach Hamburg gekommen und dann in eine Situation gekommen, in der er einen schweren Fehler gemacht habe. Der »Tagesanzeiger« zitiert ihn mit den Worten: »Ich habe hinter dem Visier der Schutzmonitur den Menschen nicht mehr gesehen und das tut mir leid.«

Von den 51 G20-Gegnern, die nach den Protesten in Untersuchungshaft saßen, werden nun noch 28 Beschuldigte festgehalten. Vorgeworfen wird ihnen gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, schwerer Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoß gegen das Vermummungsverbot. Mit der Verurteilung des Schweizers wurden insgesamt fünf Prozesse gegen G20-Demonstranten beendet.

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