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Ziemlich skandalöse Kackscheiße
Die »Frauen* gegen die AfD« stemmen sich gegen den Rechtsruck und prangern das antifeministische Wahlprogramm der Rechtsaußenpartei an
»Jede Frau kann machen was Sie will. Im Schnitt muß sie allerdings 2 Kinder bekommen. Das geht ohne Full-time-Job leichter.« (sic) Was zunächst wie bitterböse Satire klingt, hat der Ex-AfD-Abgeordnete Andreas Wild Ende Februar tatsächlich so per Kurznachrichtendienst Twitter in die unendlichen Weiten des WWW geschickt. Im selben Atemzug legte Wild mit weiteren Tweets nach: »[…] Ohne Kinder stirbt das Volk [...]« und: »[…] warum sind die Frau heute unglücklicher als 1970? Ist Arbeit Glück?« (sic). Eine Twitter-Nutzerin entgegnet: »Sie als Frau können das am besten beurteilen, Herr Wild? Ich zumindest möchte nicht, dass Sie meine Bedürfnisse deklarieren.«
Mit seiner Meinung steht der mittlerweile aus der eigenen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus geschasste AfD-Mann nicht alleine. Zwar führten nicht etwa seine antifeministischen Auslassungen in sozialen Netzwerken zum Rausschmiss - sondern viel mehr seine Nähe zur islamfeindlichen Pegida, der rechtsradikalen türkischen MHP, sowie zahlreiche menschenfeindliche Sprüche - schaut man sich aber das Wahlprogramm der selbst ernannten Alternative in Bezug auf das Frauen- und Familienbild an, hätte Wilds Haltung Pate stehen können für die frauenpolitische Linie der AfD.
So heißt es beispielsweise wörtlich in der Onlineausgabe des AfD-Wahlprogramms: »Die AfD stellt sich allen Versuchen klar entgegen, durch staatlich geförderte Umerziehungsprogramme […] das bewährte, traditionelle Familienbild zu beseitigen. Unsere Kinder dürfen nicht zum Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit werden.«
Brutalisierung des Diskurses
Für die Initiative »Frauen* gegen die AfD« sind diese und andere Positionen, die die Alternative für Deutschland vertritt, indiskutabel. »Wir finden einige Aspekte des Wahlprogramms der AfD ziemlich skandalös«, schreiben die Initiatorinnen auf Anfrage des »nd«. Um dem steigenden Rechtsruck entgegen zu wirken haben die Frauen* über Monate hinweg Zitate aus dem Umfeld der rechtspopulistischen Partei gesammelt. Kurz vor der Bundestagswahl veröffentlichen sie nun eigens produzierte Videos, mit denen die Organisatorinnen vor den antifeministischen Positionen der Partei warnen wollen. Damit sollen nicht nur NichtwählerInnen mobilisiert, sondern im besten Fall auch AfD-WählerInnen erreicht werden, »denen vielleicht nicht klar war, wie drastisch deren Frauenpolitik aussieht«.
Gegründet hat sich die Initiative im Dezember 2016. Initialzündung seien die rechtspopulistischen Tendenzen des vergangenen Jahres gewesen, beschreiben die Frauen*, die lieber anonym bleiben möchten. Eine große Rolle spielten dabei neben dem sexistischen Gebaren Trumps und dem durch RechtspopulistInnen beförderten Brexit auch die Wahl in Österreich. So sei die Kampagne direkt angelehnt an »Frauen gegen Hofer«. Der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hatten sich im österreichischen Präsidentschaftswahlkampf mehrfach frauenfeindlich geäußert.
Auf einen Aufruf hätten sich zunächst mehr als 200 Frauen gemeldet. Im laufe der Zeit wurde daraus ein fester Kern von 15 Frauen und rund 20 UnterstützerInnen. »Für die Anonymität haben wir uns entschieden, weil wir uns schützen müssen«, so die Aktivistinnen, die sich selbst als »bunt gemischter Haufen Frauen« bezeichnen, gegenüber »nd«. Die Brutalisierung des Diskurses habe auch zum Anstieg rechter Gewalt geführt. »Wir denken, dass viele Ansichten der AfD undemokratisch sind und wir versuchen auf diesem Weg, dem Weg über deren Frauenpolitik, die Ein-Thema-Partei AfD zu entlarven.«
Antiquierte Rollenverteilung
Neben unbekannten Gesichtern, unterstützen auch einige Personen des öffentlichen Lebens das Projekt. So beispielsweise neben der Journalistin Silke Burmester, auch die Hamburger Dancehall-Crew Chefboss oder Autorin Simone Buchholz. Ginge es nach der AfD sollten Frauen zu Menschen zweiter Klasse degradiert werden, kritisiert etwa die Cosmopolitan-Chefin Anja Delastik. In einem eigenen Videobeitrag, den sie auf Instagram veröffentlichte, spricht sie sich gegen die Positionen der AfD zur Quotenregelungen oder Abschaffung der Gleichstellungsbeauftragten aus. Im Wahlprogramm heißt es dazu: »Wir lehnen [...] Bestrebungen auf nationaler wie internationaler Ebene ab, diese Ideologie durch Instrumente wie Gender-Studies, Quotenregelungen z.B. für Frauen, Propagandaaktionen wie den «Equal Pay Day» oder die «geschlechterneutrale Sprache» umzusetzen.« Übersetzt heißt das: Frauen dürften nicht dafür kämpfen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen zu dürfen, so Delastik. »Stattdessen befürwortet die AfD eine Rückkehr zur traditionellen Rollenverteilung. Der Mann schafft die Kohle ran und die Frau kümmert sich derweil um die Kindererziehung oder steht am Herd. Wollt ihr das? Ich nicht!«
Das AfD-Programm richte sich »gegen bestehendes und erkämpftes Recht«, betonen »Frauen* gegen die AfD«. Neben dem Abschaffen der Gleichstellungsbeauftragten, soll laut AfD »bei der Förderung Alleinerziehender [...] in Betracht gezogen werden, ob sie Schuld an ihrer Situation haben, oder sie aus eigenen Entscheidungen herbeigeführt haben.« Das seien alles Aussagen aus dem Kapitel zu Familienförderung und Bevölkerungsentwicklung. »Beides in einem Kapitel abzuhandeln, sagt ja schon einiges aus. Und ein Kapitel zu Frauenpolitik gibt es gar nicht.«
Der Journalist Michalis Pantelouris bringt es in einem Video auf den Punkt: »[…] was wir gerade sehen, ist, dass alle Probleme mit denen wir uns gerade rumschlagen, in Wahrheit zusammen hängen mit Männern, die Angst vor Frauen haben.«
Eine Wahlempfehlung geben die Frauen* nicht ab. »Wir empfehlen, wählen zu gehen. Und natürlich nicht die AfD oder andere undemokratische Parteien.« Als »überzeugte Demokrat*innen« würden sie sich auch nach der Wahl für »Demokratie und Frauenrechte einzusetzen«, schreiben die Frauen*.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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