Bangen um die Jobs

Schlechte Chancen für Air-Berlin-Personal

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Wochen berichten Medien über die Insolvenz der Fluggesellschaft Air Berlin. Die Konzernführung legt das Augenmerk auf potenzielle Käufer und den 150-Millionen-Kredit der KfW zur Aufrechterhaltung des Betriebes. Das Personal spielt - besonders nach den massenhaften Krankmeldungen von Piloten vergangene Woche - eher eine untergeordnete Rolle. Dabei hängen an der Pleite über 8000 Arbeitsplätze und damit Existenzen. Viele Air-Berlin-Piloten und -Flugbegleiter werden überdurchschnittlich bezahlt, weil Air Berlin bei der Übernahme der LTU im Jahr 2007 deren Crews mitsamt guten Gehältern übernommen hatte.

Besonders diese fürchten nun um ihre Zukunft, zumal viele bereits über 50 sind. Für potenzielle Käufer stellen die teuren Altverträge ein Kaufhindernis dar, wie Air-Berlin-Vorstandschef Thomas Winkelmann durchblicken ließ. Er stellte zwar eine Übernahme des Großteils der Belegschaft in Aussicht - zu schlechteren Konditionen. Einige Berufsgruppen fürchten Einkommensverluste von bis zu 50 Prozent. Die Bodendienste und Verwaltungsmitarbeiter können zudem kaum auf eine Übernahme hoffen, da potenzielle Käufer in diesen Bereichen genug Personal haben. Die Gewerkschaften ver.di und Cockpit kämpfen unterdessen um einen Übernahmeplan, damit sich nicht jeder Air-Berlin-Beschäftigte beim neuen Arbeitgeber bewerben muss.

Air-Berlin-Konkurrenten wie die Lufthansa-Billigtochter Eurowings machen sich bereits fit für eine Übernahme von Personal. Am Mittwoch teilte die Gesellschaft mit, man habe sich nun mit ver.di auf einen Tarifvertrag »Wachstum« geeinigt. Vor Kurzem hatte man eine Vereinbarung mit der Flugbegleitergewerkschaft UFO erzielt. Berufserfahrung solle bei Bewerbern berücksichtigt und das Bestandspersonal vor Nachteilen geschützt werden.

Im Klartext: Man kann neue Mitarbeiter nicht besser bezahlen als die eigenen Crews, das führt zu Unfrieden. Allerdings wäre es auch ein Risiko für den Betriebsfrieden, Hunderte Mitarbeiter einzustellen, die zuvor besser verdienten. Manche Air-Berlin-Beschäftigte fürchten gar, dass die Airline die teuren Piloten und Flugbegleiter noch vor dem Verkauf loswerden will. Darauf deute der Umgang der Airline mit den Langstrecken hin, auf denen viele Ex-LTU-Mitarbeiter beschäftigt seien, hieß es aus dem Umfeld eines Air-Berlin-Beschäftigten gegenüber »nd«. Demnach hat Air Berlin die Preise für Langstrecken nach Nordamerika und in die Karibik so weit angehoben, dass sie kaum noch jemand nutzt. In die Lücken stoßen andere, so weitet Condor seine Angebote von Düsseldorf in die Karibik ab November deutlich aus.

Doch selbst wenn Air Berlin die teuren Ex-LTU-Mitarbeiter - die rund 40 Prozent der Belegschaft ausmachen - durch geschickte Unternehmenspolitik loswerden kann, könnte das zum Bumerang für den Konzern werden. Laut der »Wirtschaftswoche« drohten Hunderte Kündigungsschutzklagen. Air-Berlin-Mitarbeiter könnten versuchen, sich beim späteren Käufer einzuklagen. Damit würde ein Kauf unattraktiver.

Derzeit macht Air Berlin monatlich über 100 Millionen Euro Verlust - unklar ist, wie lange der Betrieb aufrechterhalten werden kann. Durch negative Berichterstattung und Flugausfälle sind die Kunden verunsichert, die Passagierzahlen sinken, die Einnahmen auch. Trotz der prekären Lage wurde die Entscheidung über den Zuschlag um vier Tage auf den 25. September verschoben, auch wenn jeder Tag Verluste von drei bis vier Millionen Euro bedeutet. Ver.di-Vorstand Christine Behle vermutet, dass schlechte Nachrichten erst nach der Bundestagswahl bekanntgegeben werden sollen.

Wirtschaftsexperten glauben ohnehin nicht, dass der KfW-Kredit reicht, bis die EU einem Verkauf zugestimmt hat, sondern dass Air Berlin noch 2017 den Betrieb einstellen muss. Das wäre den Käufern möglicherweise gar nicht unrecht - dann wäre zumindest das Problem der Betriebsübergänge vom Tisch.

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