Verzweifelte Suche in Trümmern

Hunderte Opfer bei erneutem Erdbeben in Mexiko

  • Georg Ismar, Denis Düttmann und Andrea Sosa, Mexiko-Stadt
  • Lesedauer: 3 Min.

Trümmerhaufen in Mexiko-Stadt, verzweifelt suchen Retter nach Verschütteten: Nach einem heftigen Erdbeben der Stärke 7,1 sind in Mexiko mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen. Ausgerechnet am Jahrestag der verheerenden Erschütterungen von 1985 bebte die Erde wieder stark. Nach Angaben des mexikanischen Innenministers Miguel Ángel Osorio Chong starben mindestens 226 Menschen. Allein in einer eingestürzten Schule wurden in Mexiko-Stadt mindestens 32 Kinder und fünf Erwachsene getötet.

Neben der Hauptstadt waren besonders die Bundesstaaten Morelos und Puebla betroffen, das Zentrum der Erschütterungen lag rund 130 Kilometer Luftlinie südöstlich von Mexiko-Stadt bei Axochiapan. In Atzala im Bundesstaat Puebla stürzten während einer Taufe das Dach und die Kuppel einer Kirche ein, mindestens elf Menschen wurden hier getötet. Mindestens 700 Menschen wurden durch das Erdbeben verletzt, 400 davon schwer. Da mehrere Krankenhäuser beschädigt wurden, mussten Verletzte teils unter freiem Himmel versorgt werden. Nach Angaben des Energieunternehmens CFE waren 3,8 Millionen Menschen zeitweise ohne Strom, auch das Telefonnetz kollabierte.

Dramatisch war die Lage an der Grundschule »Enrique Rébsamen« in Mexiko-Stadt. Dort war auch ein Kindergarten untergebracht. Bisher wurden 37 Leichen geborgen. »Wir schätzen, dass noch zwischen 30 und 40 Menschen in den Trümmern gefangen sind. Wir hören aber Stimmen, einige sind noch am Leben«, sagte Marinesprecher José Luis Vergara. Weitere 209 Schulen in Mexiko-Stadt wurden geschlossen, 15 davon haben schwere Schäden, sagte Bildungsminister Aurelio Nuño Mayer.

Ausgerüstet mit Atemmasken, Fahrradhelmen, Spitzhacken und Schaufeln halfen Hunderte Freiwillige in Mexiko-Stadt bei den Rettungsarbeiten. Im Licht von Taschenlampen und Scheinwerfern suchten sie auch die ganze Nacht über zwischen den Steinen der zusammengestürzten Gebäude nach möglichen Überlebenden. Auch zwei Gefängnisse im Bundesstaat Puebla mussten evakuiert und Gefangene verlegt werden. Der internationale Flughafen der Hauptstadt stellte den Betrieb ein, über 180 Flüge fielen aus. Betroffen vom Beben war auch das legendäre Azteken-Stadion, durch eine Tribüne zog sich ein breiter Riss.

Präsident Enrique Peña Nieto rief die Bevölkerung dazu auf, die Straßen für Krankenwagen frei zu halten »und die Arbeit der Rettungshelfer zu erleichtern«, wie er in einer Videobotschaft sagte.

In Mexiko-Stadt ist vor allem das Zentrum mit den touristischen Vierteln betroffen. Viele der beschädigten oder eingestürzten Gebäude wurden vor dem Erdbeben 1985 gebaut und entsprachen nicht den später eingeführten strengeren Baunormen.

Rund zwei Stunden vor dem heftigen Erdstoß am Dienstag hatten sich Behörden, Unternehmen und Schulen noch an der alljährigen Erdbebenübung beteiligt. Kurz nach dem Testfall, bebte dann um 13.14 Uhr die Erde tatsächlich. Tausende Menschen versuchten verzweifelt, sich nach draußen zu retten.

Wolkenkratzer schwankten hin und her, Straßen bebten, Fassadenteile von Gebäuden stürzten zu Boden. Über der Stadt hingen Rauchschwaden, Staub lag in der Luft, Gas trat aus. In der Hauptstadt und dem angrenzenden Großraum leben rund 20 Millionen Menschen. Im VW-Werk Puebla, einem der größten Fahrzeugwerke des Konzerns, wurden nach Informationen der Wolfsburger Zentrale keine Mitarbeiter verletzt.

Mehrere Nachbeben versetzen die Menschen zusätzlich in Angst. Erst am 7. September waren bei einem Beben der Stärke 8,2 rund 100 Menschen in Mexiko umgekommen, dabei lag das Zentrum aber im Pazifik und war in Mexiko-Stadt längst nicht so stark zu spüren. Mexiko befindet sich in einer der weltweit aktivsten Erdbebenzonen mit gefährlichen Plattenverschiebungen. Der Boden des Pazifischen Ozeans taucht immer wieder unter die mexikanische Landmasse ab. Das führt zu schweren Erschütterungen.

Die Behörden rechnen mit noch weiter steigenden Opferzahlen, für die Retter wurde die schwierige Suche nach Überlebenden zum Wettlauf gegen die Zeit. dpa/nd

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