Katalanen mobilisieren zivil

Anhaltende Demonstrationen gegen das repressive Vorgehen Spaniens

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Kampfgebiet hat sich ausgeweitet: Die demokratische Massenbewegung in Katalonien kämpft nun nicht mehr allein für das Referendum über die Unabhängigkeit von Spanien am 1. Oktober, sondern auch für 14 zum Teil hohe Beamte, die am Mittwoch bei den Razzien festgenommen wurden. Nachdem rund 40 000 Menschen bis in die frühen Morgenstunden allein am Wirtschaftsministerium ausgeharrt hatten, das mit anderen Ministerien von der paramilitärischen Guardia Civil am Mittwoch durchsucht worden war, zogen die Massen am frühen Donnerstag zum Obersten Gerichtshof Kataloniens (TSJC) weiter. Dort forderten sie Freiheit für die 14 Verhafteten. Damit sei der »harte Kern« derer getroffen worden, die das Referendum vorbereitet hätten, sagte die spanische Regierung.

Unter den Verhafteten befindet sich auch die Nummer zwei des Wirtschaftsministeriums: Josep Maria Jové ist die rechte Hand vom Vizepräsidenten der katalanischen Regierung Oriol Junqueras. Jové und andere wurden unter dem Vorwurf des »Aufruhrs« festgenommen, wofür eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren droht. Sieben wurden inzwischen unter Auflagen wieder freigelassen.

Zu den Protesten haben die zivilen Bewegungen Katalanischer Nationalkongress (ANC) und der Kulturverein Òmnium Cultural aufgerufen. Sie mobilisieren seit Jahren, um aus »Katalonien einen neuen Staat in Europa« zu machen. Für Òmnium-Präsident Jordi Cuixat ist klar, dass man es »nicht mit Kriminellen zu tun hat, sondern mit unseren Helden«. Angesichts der spanischen Vorwürfe, die Katalanen versuchten einen Staatsstreich, fügte Cuixat mit Blick auf die Massen vor dem Gericht an: »Es ist die Bevölkerung in Katalonien, die einen wirklichen Putsch stoppt.«

Am Mittwoch haben Zivilisten aus verschiedenen politischen Lagern verhindert, dass die Parteizentrale der linksradikalen CUP gestürmt werden konnte. Die Nationalpolizei musste am Abend abziehen. Während über einen Generalstreik debattiert wird, streiken schon die Hafenarbeiter in Barcelona und Tarragona. Sie wollen verhindern, dass Schiffe zur Unterbringung von Sicherheitskräften stationiert werden. Die Docker begründen ihre Aktion mit der »Verteidigung der Bürgerrechte«. Solange die »Ausnahmesituation« andauere, werde man keinen Dienst für die Schiffe tun.

ANC-Präsident Jordi Sánchez bedankte sich bei den Dockern. Er lobte vor dem TSJC das friedliche und bestimmte Auftreten der Katalanen. »Heute gibt es nicht einen Demokraten in Katalonien, der sich wegen der Vorgänge gestern nicht schämt.« Die Energie müsse am 1. Oktober in eine große Mobilisierung münden: »Abstimmen bedeutet gewinnen.« Es geht längst nicht mehr allein um das Selbstbestimmungsrecht. Es geht um die »Verteidigung unserer demokratischen Freiheiten«, sagte die Präsidentin des katalanischen Parlaments Carme Forcadell.

Im spanischen Parlament in Madrid haben sich fast 100 Parlamentarier am Donnerstag hinter die Katalanen gestellt und ebenfalls die Freiheit der Gefangenen gefordert. Derweil hat Spaniens Finanzminister Cristóbal Montoro der katalanischen Regierung den Geldhahn abgedreht. Auch deshalb spricht Regierungschef Carles Puigdemont davon, dass faktisch längst die Autonomie ausgesetzt ist.

Solidarität bekommt Katalonien nicht nur aus dem Madrider Parlament. In mehr als 40 spanischen Städten, auch in der Hauptstadt Madrid, gingen schon am Mittwoch spontan zahllose Menschen gegen den »verdeckten Ausnahmezustand« auf die Straße. Die Regierung solle aufhören, »Andersdenkende« zu verfolgen, sagte die Sprecherin von Podemos (Wir können es) Irene Montero.

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